Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Die wahre Agilität im Stadtverkehr kommt nicht vom Logo auf dem Tank, sondern von der Beherrschung von Geometrie, Ergonomie und Fahrtechnik.

  • Der Radstand ist entscheidender als das reine Gewicht: 15 cm entscheiden über Wenden in einem Zug oder mühsames Rangieren.
  • Ein gezielter 10-Minuten-Test entlarvt die „urbane Trägheit“ eines Motorrads gnadenlos.

Empfehlung: Wenden Sie unser Züri-Basel-Testprotokoll bei Ihrer nächsten Probefahrt an, um eine Maschine zu wählen, die den täglichen Pendler-Stress in Fahrspass verwandelt.

Jeder, der regelmässig durch Zürich oder Basel pendelt, kennt das Gefühl: eingeklemmt zwischen einem Tram an der Haltestelle Bahnhofstrasse und einer Kolonne ungeduldiger Autos. Oder der Versuch, am Spalentor vorbeizukommen, während der Verkehr stillsteht. In diesen Momenten träumt man von einem Motorrad, das sich wie ein Fisch im Wasser durch die engsten Gassen schlängelt. Der übliche Rat lautet dann oft: „Kauf dir einfach ein leichtes Naked Bike“. Doch das ist nur die halbe Wahrheit und oft eine teure Fehleinschätzung.

Als Motorradkurier, der täglich hunderte Kilometer durch diese urbanen Dschungel frisst, weiss ich: Agilität ist eine Wissenschaft, kein Zufall. Sie hängt von messbaren Faktoren ab, die weit über das reine Gewicht hinausgehen. Es ist das Zusammenspiel aus Geometrie, Ergonomie und der richtigen Fahrtechnik. Die gute Nachricht ist, dass man diese „Wissenschaft der Wendigkeit“ lernen kann. Noch besser: Oft müssen Sie nicht einmal ein neues Motorrad kaufen, sondern können Ihr bestehendes mit ein paar gezielten Kniffen und Anpassungen in eine überraschend agiles Stadt-Werkzeug verwandeln.

Dieser Guide bricht mit den oberflächlichen Ratschlägen. Wir tauchen tief in die technischen Details ein, die den Unterschied zwischen Frust und Freude ausmachen. Wir analysieren, wie Sie bei einer Probefahrt die Spreu vom Weizen trennen, welche Kostenfallen lauern und wie Sie sogar einen schweren Tourer für den täglichen Ritt zur Arbeit optimieren. Vergessen Sie die Prospekt-Angaben und lernen Sie, ein Motorrad mit den Augen eines Profis zu beurteilen.

In den folgenden Abschnitten entschlüsseln wir die Geheimnisse der urbanen Agilität. Von der entscheidenden Rolle des Radstands über die richtige Testmethodik bis hin zur cleveren Routenplanung – hier finden Sie praxiserprobte Strategien, um den Stadtverkehr zu Ihrem Revier zu machen.

Warum macht ein 15-cm-Unterschied im Radstand den Stadtverkehr zur Qual oder zum Vergnügen?

Vergessen Sie für einen Moment das Gewicht oder die PS-Zahl. Der vielleicht wichtigste, aber am meisten unterschätzte Wert für ein Stadtmotorrad ist der Radstand – der Abstand zwischen der Vorder- und Hinterradachse. Diese 15 Zentimeter, die ein kompaktes Naked Bike von einer grossen Reiseenduro unterscheiden, sind entscheidend dafür, ob Sie in einer engen Gasse im Zürcher Niederdorf in einem Zug wenden oder dreimal mühsam rangieren müssen.

Ein kurzer Radstand führt zu einem kleineren Wendekreis und einer direkteren Reaktion auf Lenkimpulse. Das Motorrad fühlt sich „hibbeliger“ an, lässt sich aber mit minimalem Kraftaufwand um enge Ecken zirkeln. Das ist pures Gold wert, wenn man sich zwischen parkierten Autos in einer 30er-Zone durchschlängeln oder im Stop-and-Go-Verkehr schnell die Spur wechseln muss. Ein langer Radstand hingegen sorgt für mehr Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn, macht das Manövrieren bei Schrittgeschwindigkeit aber zur Schwerstarbeit. Diese Eigenschaft nenne ich die urbane Trägheit.

Ein praktischer Vergleich, wie ihn die Experten von 1000PS bei ihren umfassenden Tests oft durchführen, zeigt dies deutlich: Eine Yamaha MT-07 (Radstand ca. 1400 mm) tanzt förmlich durch die Basler Altstadt, während eine BMW R 1250 GS (Radstand ca. 1514 mm) ihre Stärken erst ausspielt, wenn die Stadtgrenze hinter einem liegt. Für den urbanen Pendler ist die Wahl klar.

  • Kurzer Radstand (unter 1450 mm): Ideal für das „Kolonnenspringen“ und enge Gassen. Der Wendekreis ist minimal, das Handling spielerisch.
  • Mittlerer Radstand (1450-1550 mm): Ein guter Kompromiss für Pendler, die auch mal ein Stück Autobahn fahren, aber hauptsächlich in der Agglomeration unterwegs sind.
  • Langer Radstand (über 1550 mm): Bringt Ruhe ins Fahrwerk auf Landstrassen und Autobahnen, erfordert aber vorausschauendes Fahren und Kraft beim Rangieren in der Stadt.

Wie testen Sie in 10 Minuten Probefahrt die Stadttauglichkeit eines Motorrads?

Eine Probefahrt auf einer offenen Landstrasse ist verlockend, aber für einen urbanen Pendler völlig irrelevant. Sie müssen das Motorrad dort testen, wo es später leiden wird: im urbanen Chaos. Suchen Sie sich einen leeren Parkplatz und führen Sie Ihr eigenes „Züri-Basel-Testprotokoll“ durch. Diese 10 Minuten verraten Ihnen mehr über die Stadttauglichkeit als eine Stunde Sonntagsausflug.

Der Fokus liegt auf Manövern bei niedriger Geschwindigkeit, Lastwechselreaktionen und der Ergonomie im Stop-and-Go. Ein Motorrad kann auf dem Papier leicht sein, sich aber durch eine ungünstige Gewichtsverteilung oder einen breiten Lenker schwerfällig anfühlen. Genau das entlarven Sie mit diesem gezielten Test, der die häufigsten Herausforderungen im Schweizer Stadtverkehr simuliert.

Nahaufnahme der Hände am Lenker während eines Wendemanövers auf engem Raum

Achten Sie genau auf das Gefühl in den Händen und Armen. Erfordert das Wenden viel Kraft? Ist die Kupplung leichtgängig genug für ständiges Anfahren? Entwickelt der Motor unangenehme Hitze, die im Stau zur Qual wird? Das sind die Fragen, die im Alltag zählen.

Folgen Sie diesem Protokoll, um die Spreu vom Weizen zu trennen:

  1. Minute 1-2: Anfahren am Hang. Suchen Sie eine leichte Steigung (Tiefgarageneinfahrt genügt). Testen Sie, wie präzise sich die Kupplung dosieren lässt, ohne den Motor abzuwürgen.
  2. Minute 3-4: Notbremsung. Beschleunigen Sie auf 40-50 km/h und machen Sie eine Vollbremsung. Wie stabil bleibt das Motorrad? Greift das ABS sauber oder ruppig?
  3. Minute 5-6: Slalom. Fahren Sie einen engen Slalom bei Schrittgeschwindigkeit. Hier zeigt sich die wahre Agilität und Balance des Motorrads.
  4. Minute 7-8: Engste Kehre. Fahren Sie im Kreis mit vollem Lenkeinschlag, Füsse auf den Rasten. Zwingt das Motorrad Sie, den Fuss abzusetzen? Dies testet die Balance bei extrem langsamer Fahrt.
  5. Minute 9-10: Stop-and-Go-Simulation. Fahren Sie eine Minute lang nur im ersten Gang an, halten Sie an, fahren Sie wieder an. Achten Sie auf die Hitzeentwicklung des Motors und den Kraftaufwand an der Kupplungshand.

Naked Bike mit 180 kg oder Tourer mit 260 kg: Was für tägliches Pendeln in der Stadt?

Die intuitive Antwort scheint klar: Das leichtere Naked Bike. Doch die Realität im Pendleralltag, der in der Schweiz für rund 3.6 Millionen Menschen zum Alltag gehört, ist komplexer. Es geht nicht nur um das Gewicht, sondern um die Gesamtbetriebskosten (TCO – Total Cost of Ownership) und den praktischen Nutzen. Das Gesamtpaket aus Anschaffung, Versicherung, Service und Wertverlust entscheidet, welches Konzept finanziell und praktisch sinnvoller ist.

Ein leichtes Naked Bike ist in der Anschaffung und Versicherung meist günstiger. Sein geringeres Gewicht schont die Reifen und Bremsen im Stadtverkehr. Ein schwerer Tourer punktet dafür mit besserem Wetterschutz und mehr Komfort, was bei längeren Pendelstrecken oder ganzjähriger Nutzung ein Segen sein kann. Die Frage ist also: Wie viel ist Ihnen dieser Komfort wert? Eine Analyse der Gesamtkosten über drei Jahre zeigt oft ein überraschendes Bild, insbesondere wenn man die standortspezifischen Versicherungskosten in Kantonen wie Zürich (ZH) und Basel-Stadt (BS) berücksichtigt.

Die folgende Tabelle vergleicht beispielhaft die Kosten für ein typisches Naked Bike und einen leichten Tourer für einen Pendler in der Schweiz. Es wird deutlich, dass der Komfort eines Tourers über drei Jahre einen erheblichen Aufpreis hat.

TCO-Vergleich: Naked Bike vs. Leichter Tourer für Schweizer Pendler
Kostenart (3 Jahre) Naked Bike (KTM 390 Duke) Leichter Tourer (Yamaha Tracer 7)
Anschaffung CHF 6’500 CHF 10’900
Versicherung ZH CHF 2’400 CHF 3’600
Versicherung BS CHF 2’100 CHF 3’300
Service/Unterhalt CHF 1’800 CHF 2’400
Wertverlust CHF 2’600 CHF 3’800
Verbrauch (15’000km/Jahr) CHF 2’700 CHF 3’600
Gesamtkosten ZH CHF 16’000 CHF 24’300

Am Ende ist die Wahl eine persönliche Abwägung. Wenn Sie täglich weniger als 20 km rein im Stadtgebiet fahren, ist der finanzielle und agile Vorteil eines leichten Naked Bikes erdrückend. Bei längeren Strecken mit Autobahnanteil kann der Komfort des Tourers den Aufpreis rechtfertigen. Der Trend ist jedoch klar: Von den rund 805’700 in der Schweiz zugelassenen Motorrädern wird ein wachsender Anteil für das tägliche, effiziente Pendeln genutzt, wo Leichtigkeit triumphiert.

Der Lenker-Fehler, der Stadtfahrten zur Armmuskel-Qual macht

Sie fahren ein wendiges Motorrad, aber nach 20 Minuten im Zürcher Feierabendverkehr schmerzen Ihre Handgelenke und Unterarme? Dann machen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den häufigsten Fehler im Stadtverkehr: Sie klammern sich am Lenker fest und versuchen, das Motorrad mit reiner Muskelkraft durch die Kurven zu „ziehen“. Das ist nicht nur anstrengend, sondern auch ineffektiv und gefährlich.

Die korrekte Technik heisst Lenkimpuls oder Gegenlenken (Countersteering). Um eine Kurve nach rechts einzuleiten, geben Sie einen kurzen, festen Druck auf den rechten Lenkergriff nach vorne. Für eine Linkskurve drücken Sie auf den linken Griff. Das Motorrad legt sich wie von selbst in die Kurve. Ihre Arme bleiben dabei locker und entspannt. Sie führen das Motorrad, anstatt mit ihm zu kämpfen. Diese Technik ist der Schlüssel zu flüssigem und kraftsparendem Fahren im dichten Verkehr.

Ein verkrampfter Griff am Lenker überträgt jede kleine Unebenheit der Strasse direkt in Ihren Körper und destabilisiert das Motorrad. Eine lockere Haltung hingegen lässt das Fahrwerk arbeiten und sorgt für eine ruhige, souveräne Fahrt. Denken Sie daran: Halten Sie den Lenker nur so fest, wie Sie ein rohes Ei halten würden – fest genug, damit es nicht herunterfällt, aber locker genug, um es nicht zu zerdrücken.

Um die Verkrampfung aktiv zu bekämpfen, helfen folgende Übungen während der Fahrt:

  • Finger-Lockerung: Lösen Sie alle 10 Minuten kurz die Finger einzeln vom Griff und strecken Sie sie.
  • Körperspannung: Verlagern Sie Ihr Gewicht bewusst auf die Fussrasten und halten Sie sich mit den Oberschenkeln am Tank fest. Ihre Arme sind nur zum Lenken da, nicht zum Abstützen.
  • Pausen einlegen: Wenn Sie eine längere Stadtfahrt vor sich haben, halten Sie bewusst alle 30 Minuten kurz an, steigen ab und schütteln Arme und Schultern aus.
  • Drücken statt Ziehen: Konzentrieren Sie sich bei jeder Kurve bewusst darauf, den kurveninneren Lenkergriff nach vorne zu drücken, anstatt am äusseren zu ziehen.

Wie machen Sie Ihr 240-kg-Touren-Motorrad stadttauglich ohne Neukauf?

Sie besitzen bereits eine grosse Reiseenduro oder einen schweren Tourer und wollen nicht schon wieder Geld für ein Zweitmotorrad ausgeben? Keine Sorge. Auch ein 240-kg-Brocken lässt sich mit gezielten Anpassungen überraschend agil für den urbanen Dschungel machen. Es geht darum, die „urbane Trägheit“ durch kluge Modifikationen zu reduzieren und die Ergonomie für niedrige Geschwindigkeiten zu optimieren.

Der grösste Hebel ist oft der Lenker. Ein breiter Tourenlenker ist auf der Autobahn bequem, in der Stadt aber hinderlich. Der Austausch gegen ein schmaleres Modell verbessert die Fähigkeit, sich durch enge Lücken zu schlängeln, dramatisch. Gleichzeitig kann ein Lenker, der näher zum Fahrer gerückt ist (Lenkererhöhung mit Versatz), eine aufrechtere Sitzposition ermöglichen. Das entlastet die Handgelenke und verbessert die Übersicht im dichten Verkehr.

Weitwinkelaufnahme einer Motorradwerkstatt mit urbanem Zubehör und Anpassungskomponenten

Weitere wirksame Anpassungen sind eine niedrigere Sitzbank für einen sicheren Stand an der Ampel und der Austausch von breiten Koffern gegen schmale „City-Koffer“ oder ein Topcase. Auch die Fahrwerkseinstellung spielt eine Rolle: Eine etwas weicher eingestellte Federung absorbiert die schlechten Strassenbeläge in der Stadt besser und sorgt für mehr Komfort und Vertrauen. Wie Umbauten an Modellen wie der Honda NT1100 zeigen, können solche Modifikationen die Stadttauglichkeit massiv verbessern, ohne die Tourenqualitäten komplett zu opfern.

Zusammengefasst, hier sind die wirksamsten Tuning-Massnahmen:

  • Schmalerer Lenker: Der wichtigste Schritt für mehr Agilität im Stau.
  • Lenkererhöhung: Für eine aufrechtere, entspanntere Sitzposition.
  • Niedrigere Sitzbank: Gibt Sicherheit beim Anhalten und Rangieren.
  • Schmales Gepäcksystem: Ersetzt breite Koffer durch stadttaugliche Lösungen.
  • Fahrwerksanpassung: Eine weichere Einstellung für mehr Komfort auf schlechten Strassen.
  • Reifenwahl: Touren-Reifen mit guter Nasshaftung und schnellem Aufwärmverhalten wählen.

50 ccm oder 125 ccm: Welcher Hubraum für 18 km Arbeitsweg in Zürich?

Für eine typische Pendelstrecke in Zürich, beispielsweise von Oerlikon nach Wollishofen (ca. 18 km quer durch die Stadt), stellt sich oft die Frage nach dem optimalen Hubraum. Reicht ein 50-ccm-Roller oder ist die Investition in eine 125er-Maschine die klügere Wahl? Die Antwort hängt von drei Faktoren ab: Zeit, Kosten und Flexibilität.

Ein 50-ccm-Roller ist unschlagbar günstig in Anschaffung und Unterhalt. Er ist leicht, extrem wendig und findet überall eine Parklücke. Sein grösster Nachteil ist die auf 45 km/h begrenzte Geschwindigkeit. Das bedeutet, dass Sie im fliessenden Verkehr auf den Hauptachsen oft ein Hindernis darstellen und von Autos ungeduldig überholt werden. Ausserdem ist die Nutzung von städtischen Autobahnabschnitten (z.B. A1 bei Zürich-Affoltern) tabu.

Ein 125-ccm-Roller oder -Motorrad kostet mehr, bietet aber entscheidende Vorteile. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von rund 100 km/h schwimmen Sie mühelos im Verkehr mit und können auch kurze Autobahn-Etappen zur Umfahrung von Stauzentren nutzen. Dieser Zeitgewinn ist auf einer Strecke von 18 km signifikant und reduziert den Stress erheblich. Der etwas höhere Verbrauch und die teurere Versicherung werden durch die gewonnene Zeit und Sicherheit mehr als aufgewogen.

Der folgende Kosten- und Zeitvergleich macht die Unterschiede für einen Zürcher Pendler deutlich:

50ccm vs. 125ccm: Kostenvergleich für Zürcher Pendler
Kriterium 50ccm Roller 125ccm Roller ZVV-Jahresabo (Zone 110)
Anschaffung/Jahreskosten CHF 3’200 CHF 4’800 CHF 2’268
Versicherung/Jahr CHF 380 CHF 580
Benzin/Jahr (18km x 220 Tage) CHF 240 CHF 320
Service/Jahr CHF 150 CHF 200
Fahrzeit Oerlikon-Wollishofen 35 Min 25 Min 40 Min
Autobahnberechtigung Nein Ja (A1)

Für eine tägliche Strecke von 18 km ist die 125-ccm-Klasse der klare Sieger. Der Zeitgewinn von 10 Minuten pro Fahrt summiert sich auf über 70 Stunden im Jahr. Diese gewonnene Lebenszeit und der reduzierte Stress sind den moderaten Mehrpreis wert.

Wie planen Sie Ihre 25-km-Pendelstrecke so, dass Sie 8 Ampeln überspringen?

Der schnellste Weg ist selten die Hauptstrasse. Als Motorradpendler haben Sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber Autofahrern: Sie können flexibel Routen nutzen, die für Autos unpraktisch sind. Eine clevere Routenplanung, eine „Rotlicht-Strategie“, kann auf einer 25-km-Strecke, wie von Basel nach Liestal, leicht 10-15 Minuten Fahrzeit und unzählige Ampelstopps einsparen.

Der erste Schritt ist, die Hauptverkehrsadern und deren notorische Staupunkte zu meiden. Nutzen Sie Karten-Apps wie Google Maps oder Waze, um gezielt nach Parallelstrassen zu suchen. Oft führen schmalere Quartierstrassen oder Wege durch Gewerbegebiete viel flüssiger ans Ziel. Ein Paradebeispiel ist die Nutzung von Nebenstrassen, um die staugeplagten Abschnitte um Pratteln zu umgehen. Motorradfahrer, die alternative Transitrouten nutzen, sparen nicht nur Zeit, sondern auch Nerven.

Ein weiterer Profi-Tipp ist die Priorisierung von Routen mit Kreiseln anstelle von Ampelkreuzungen. Jeder Kreisel ist eine potenzielle Wartezeit von null Sekunden, während jede Ampel ein potenzieller Stopp von bis zu zwei Minuten ist. Identifizieren Sie auf Ihrer Karte alle Kreisel und versuchen Sie, eine Route zu „fädeln“, die möglichst viele davon verbindet. Kombinieren Sie dies mit dem Wissen über die „grüne Welle“ in den Städten (meist bei ca. 45-50 km/h), um mit maximalem Fluss durch den Verkehr zu gleiten.

Die perfekte Pendelroute entsteht nicht an einem Tag. Es ist ein Prozess des Ausprobierens und Optimierens. Fahren Sie Ihre Strecke an verschiedenen Tagen zu unterschiedlichen Zeiten und notieren Sie sich die Fahrzeit und die Anzahl der Stopps. So entwickeln Sie mit der Zeit ein unschätzbares lokales Wissen.

Ihr Action-Plan zur Routenoptimierung

  1. Stosszeiten identifizieren: Analysieren Sie Ihre Strecke. Wo sind die Nadelöhre zwischen 7-9 Uhr morgens und 17-19 Uhr abends? Markieren Sie diese auf einer Karte.
  2. Alternativen suchen: Nutzen Sie die Satellitenansicht von Karten-Apps, um parallel verlaufende Nebenstrassen, Quartierstrassen oder sogar gut ausgebaute Feldwege zu finden.
  3. Grüne Wellen & Kreisel nutzen: Identifizieren Sie Hauptachsen mit bekannter „grüner Welle“ und planen Sie Routen, die Kreisel anstelle von Ampeln bevorzugen. Ermitteln Sie die ideale Geschwindigkeit für die grüne Welle.
  4. Testfahrten durchführen: Fahren Sie die neuen Routenvarianten zu Ihren üblichen Pendelzeiten. Stoppen Sie die Zeit und zählen Sie die unfreiwilligen Halte.
  5. Route finalisieren & anpassen: Kombinieren Sie die besten Segmente der verschiedenen Testrouten zu Ihrer persönlichen, optimierten Pendelstrecke. Bleiben Sie flexibel für tagesaktuelle Störungen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Agilität eines Motorrads in der Stadt wird primär durch seine Geometrie (Radstand, Lenkwinkel) bestimmt, nicht allein durch das Gewicht.
  • Eine gezielte 10-Minuten-Probefahrt mit Fokus auf Langsamfahr-Manöver ist entscheidend, um die wahre Stadttauglichkeit zu beurteilen.
  • Auch schwere Motorräder können durch gezielte Modifikationen (schmalerer Lenker, angepasste Sitzbank) überraschend stadttauglich gemacht werden.

Welcher Stadtroller spart Ihnen 300 CHF monatlich gegenüber dem ÖV-Abo

Die Debatte zwischen individuellem Zweirad und öffentlichem Verkehr wird oft emotional geführt. Doch ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt ein klares Bild: Für viele Pendler in den teuren Schweizer Städten ist ein Roller nicht nur schneller, sondern auch massiv günstiger als das ÖV-Abo. Die Frage ist nur: Benziner oder Elektro? Und wie hoch ist die Ersparnis wirklich?

Ein Monatsabo für die Kernzonen in Zürich (ZVV) oder der Nordwestschweiz (TNW) kann schnell gegen 500 CHF kosten. Ein moderner 125-ccm-Roller, egal ob mit Benzin oder Strom betrieben, verursacht auf den Monat gerechnet deutlich geringere Kosten. Dies gilt selbst dann, wenn man Anschaffung, Versicherung, Service, Energie und sogar Parkgebühren über eine Haltedauer von fünf Jahren mit einberechnet. Der grösste Hebel ist der Wegfall der hohen fixen Abo-Kosten.

Besonders interessant wird es beim Vergleich zwischen Benzin- und Elektrorollern. Während der E-Roller in der Anschaffung oft noch teurer ist, punktet er mit extrem niedrigen „Treibstoff“- und Wartungskosten. Es gibt keinen Ölwechsel, keine Auspuffanlage und weniger Verschleissteile. Mit einem wachsenden Marktanteil, der laut Motosuisse zeigt, dass 2024 bereits 14,45% der Neuzulassungen auf Elektro-Roller entfielen, wird die Auswahl und Infrastruktur immer besser.

Die folgende Kosten-Matrix zeigt die monatliche Belastung für einen Pendler im Detail. Das Ergebnis ist eindeutig: Beide Roller-Varianten unterbieten das ÖV-Abo deutlich und ermöglichen eine monatliche Ersparnis von fast 300 CHF. Damit amortisiert sich die Anschaffung des Rollers gegenüber dem Abo in weniger als zwei Jahren. Dies erklärt auch, warum trotz einer hohen ÖV-Nutzung gemäss einer aktuellen Umfrage immer noch rund 54 Prozent der Schweizer Befragten für den Arbeitsweg das eigene Fahrzeug nutzen – Effizienz und Kosten spielen eine zentrale Rolle.

Die ultimative Schweizer Kosten-Matrix: Roller vs. ÖV
Kostenposition/Monat E-Roller 125ccm Benzin-Roller 125ccm ZVV/TNW-Abo
Anschaffung (auf 5 Jahre) CHF 80 CHF 60
Versicherung CHF 45 CHF 48
Energie/Benzin CHF 15 CHF 35
Service/Wartung CHF 20 CHF 30
Parkgebühren CHF 30 CHF 30
Abo-Kosten CHF 485
Gesamtkosten CHF 190 CHF 203 CHF 485
Ersparnis vs. ÖV CHF 295 CHF 282

Die Wahl des richtigen, wendigen Motorrads ist also mehr als eine Bauchentscheidung. Es ist eine strategische Investition in Ihre Zeit, Ihre Finanzen und Ihre Lebensqualität. Also, bevor Sie Ihr nächstes Abo lösen oder einen Kaufvertrag unterschreiben: Nehmen Sie diese Tipps, machen Sie eine Probefahrt nach unserem Protokoll und wählen Sie nicht nur ein Fahrzeug, sondern Ihre neue Freiheit im Stadtverkehr.

Geschrieben von Martin Keller, Martin Keller ist selbstständiger Occasionshändler und zertifizierter Fahrzeugbewerter mit 19 Jahren Erfahrung im Motorrad-Occasionsmarkt der Schweiz und Spezialisierung auf Kaufberatung und technische Zustandsbewertung.