
Ein Motorradhandschuh ist kein Accessoire, sondern ein medizintechnisches Instrument, das entwickelt wurde, um spezifische, verheerende Frakturmuster der Hand zu verhindern.
- Die Hand reagiert bei einem Sturz instinktiv und absorbiert enorme Aufprallkräfte, die häufig zu komplexen Frakturen führen, insbesondere des Kahnbeins.
- Die Wirksamkeit eines Handschuhs wird durch seine spezifische Auslegung für den Einsatzzweck (Stadt, Tour, Rennstrecke), die Abriebfestigkeit des Materials und einen zertifizierten Knöchelprotektor (CE EN 13594) bestimmt.
Empfehlung: Prüfen Sie vor Ihrer nächsten Fahrt kritisch Ihre Handschuhe: Bieten sie zertifizierten Knöchelschutz und sind sie für die erwartete Temperatur und den Fahrstil geeignet? Die zukünftige Funktionsfähigkeit Ihrer Hände hängt davon ab.
Als Motorradfahrer und praktizierender Handchirurg erlebe ich die Folgen eines Sturzes aus zwei Perspektiven: der plötzlichen, brutalen Realität auf dem Asphalt und dem oft langwierigen, komplexen Wiederaufbau filigraner Knochenstrukturen im Operationssaal. Viele Fahrer denken bei Schutzausrüstung zuerst an Helm und Jacke. Doch die Hände sind bei fast jedem Unfall die ersten, die den Kontakt zur Strasse aufnehmen. Der menschliche Schutzreflex, sich mit den Händen abzustützen, ist unkontrollierbar und führt zu verheerenden Verletzungen.
Die landläufige Meinung ist, dass jeder Handschuh besser als keiner ist. Das ist zwar im Grundsatz richtig, aber es ist eine gefährliche Vereinfachung. Es geht nicht nur darum, Hautabschürfungen zu vermeiden. Es geht um die gezielte Prävention von Frakturen, die zu lebenslangen Funktionseinschränkungen führen können. Die Diskussion um Leder oder Textil, Sommer- oder Winterhandschuh greift zu kurz, wenn die grundlegende Biomechanik eines Aufpralls ignoriert wird.
Der wahre Schlüssel zum Schutz liegt im Verständnis der Verletzungsmuster und der gezielten Auswahl von Technologien, die diesen entgegenwirken. Dieser Artikel bricht daher mit der oberflächlichen Kaufberatung. Wir analysieren den Sturz aus medizinischer Sicht und entschlüsseln, warum ein einfacher Knöchelprotektor den Unterschied zwischen einer Prellung und einer komplizierten Operation ausmachen kann. Es ist eine technische und medizinische Notwendigkeit, nicht nur eine Frage des Komforts oder Stils.
Wir werden die typischen Frakturmuster bei Stürzen untersuchen, die physikalischen Anforderungen an Materialien und Protektoren definieren und klare Kriterien für die Auswahl Ihrer nächsten Handschuhe aufstellen – egal ob für die Fahrt durch Zürich, über einen Alpenpass oder auf der Rennstrecke. Ziel ist es, Ihnen das Wissen zu vermitteln, eine bewusste, medizinisch fundierte Entscheidung für die Sicherheit Ihrer Hände zu treffen.
Dieser Leitfaden ist in acht Abschnitte unterteilt, die Ihnen helfen, die Komplexität des Handschutzes zu verstehen und die für Sie richtige Wahl zu treffen.
Inhaltsverzeichnis: Wie Sie Ihre Hände vor typischen Motorradverletzungen schützen
- Warum erleiden 90% der Fahrer ohne Handschuhe bei Stürzen Handbrüche?
- Wie wählen Sie Handschuhe für Stadt, Tour oder Rennstrecke richtig aus?
- Leder, Textil oder Kevlar: Welches Material bietet besten Abriebschutz für Hände?
- Wie dünne Sommer-Handschuhe Ihre Hände bei Sturz schutzlos lassen
- Ab wie vielen Winter-Fahrten rechtfertigen sich 250-CHF-Heizhandschuhe?
- Warum reduziert komplette Schutzausrüstung schwere Verletzungen um 80%?
- Fest eingenähte oder Steckprotektoren: Was bietet mehr Schutz bei Stürzen?
- Wie richtige Sommerausrüstung Konzentration bei 35°C um 60% steigert
Warum erleiden 90% der Fahrer ohne Handschuhe bei Stürzen Handbrüche?
Der Grund liegt in einem tief verankerten, nicht unterdrückbaren Reflex: dem Abstützreflex. Bei einem Kontrollverlust, egal ob durch ein blockierendes Vorderrad oder einen Rutscher, streckt der Mensch instinktiv die Arme und Hände nach vorne, um den Kopf und Rumpf zu schützen. Die Hand wird so zur ersten Kontaktzone. Die gesamte kinetische Energie des Sturzes konzentriert sich auf die kleine Fläche der Handfläche und der Handwurzel. Dieser Verletzungsmechanismus ist so vorhersehbar, dass er in der Unfallchirurgie eigene Namen für die resultierenden Frakturmuster hat, wie die distale Radiusfraktur oder die besonders gefürchtete Skaphoidfraktur (Bruch des Kahnbeins).
Ohne die schützende und dämpfende Schicht eines Handschuhs trifft diese Energie ungefiltert auf Knochen, Sehnen und Bänder. Die Hand ist ein Wunderwerk aus 27 Einzelknochen, die für filigrane Bewegungen, nicht aber für die Absorption von Hochgeschwindigkeits-Aufprällen konzipiert sind. Laut ADAC-Experten sind bei fast 85 Prozent der Motorradunfälle die Hände mit betroffen. Die Zahlen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) für die Schweiz unterstreichen die Dramatik: Allein im Jahr 2021 wurden rund 1.070 Motorradfahrer schwer verletzt und 47 getötet. Ein erheblicher Teil dieser schweren Verletzungen betrifft die Extremitäten, insbesondere die Hände.
Ein Sturz ohne Handschuhe führt fast unweigerlich zu zwei Arten von Verletzungen: grossflächigen Schürfwunden durch den Abrieb auf dem Asphalt, die ein hohes Infektionsrisiko bergen, und den bereits erwähnten Frakturen durch die reine Aufprallenergie. Ein guter Handschuh wirkt hier zweifach: Das abriebfeste Material schützt die Haut, während die Protektoren an Knöcheln und Handballen die Kraftübertragung auf eine grössere Fläche verteilen und so die Punktbelastung auf den Knochen reduzieren.
Wie wählen Sie Handschuhe für Stadt, Tour oder Rennstrecke richtig aus?
Die Wahl des „besten“ Handschuhs ist ein Trugschluss; es geht um die Wahl des „richtigen“ Handschuhs für den spezifischen Einsatzzweck. Die Anforderungen an einen Handschuh für den dichten Stadtverkehr in Genf unterscheiden sich fundamental von denen für eine Passfahrt über den Julierpass oder eine Runde auf der Rennstrecke. Jeder Fahrstil hat ein eigenes Risikoprofil und erfordert eine angepasste Schutzstrategie.
Für den Stadtverkehr sind kurze, flexible Handschuhe mit gutem Knöchelschutz und verstärkter Handfläche ideal. Die Sturzgefahr ist bei niedrigen Geschwindigkeiten zwar hoch, aber die Rutschphasen sind kurz. Wichtig sind hier vor allem guter Grip und die uneingeschränkte Bedienbarkeit von Hebeln und Schaltern. Der Tourenfahrer hingegen benötigt einen Allrounder, der Wetterschutz (Wasserdichtigkeit, Isolation) mit hohem Komfort auf langen Strecken verbindet. Hier sind lange Stulpen, die über die Jacke gehen, ein Muss, um das Eindringen von Fahrtwind und Regen zu verhindern. Die Protektion muss sowohl für Aufprall als auch für längere Rutschphasen ausgelegt sein. Der Rennstrecken-Handschuh ist die Spitze der Sicherheitstechnologie: Maximale Abriebfestigkeit (oft durch Känguruleder), Hartschalenprotektoren an allen kritischen Stellen, eine Verbindung zwischen kleinem und Ringfinger zur Verhinderung von Brüchen und eine extrem feste Passform für maximale Kontrolle.
Die visuelle Unterscheidung dieser drei Typen macht die unterschiedlichen Designphilosophien deutlich. Während der Stadthandschuh auf Diskretion und Flexibilität setzt, schreit der Racing-Handschuh förmlich nach Schutz.

Wie die Abbildung zeigt, steigt der Schutzlevel von links (urban) nach rechts (Rennsport) sichtbar an. Die Wahl hängt von Ihrem primären Einsatzgebiet ab. Viele Fahrer in der Schweiz besitzen daher zurecht mindestens zwei Paar Handschuhe, um für die unterschiedlichen Bedingungen gerüstet zu sein.
Ihre Checkliste zur Handschuhauswahl
- Fahrstil bestimmen: Analysieren Sie Ihr Haupt-Einsatzgebiet. Aggressiver Stadtverkehr erfordert anderen Schutz als eine gemütliche Wochenendtour.
- Bedienbarkeit prüfen: Testen Sie im Geschäft die Bedienung von Blinkern, Hupe und anderen Armaturen mit den angezogenen Handschuhen.
- Gefühl für Hebel testen: Stellen Sie sicher, dass Sie ein klares Gefühl für den Druckpunkt von Brems- und Kupplungshebel behalten. Die Propriozeption darf nicht leiden.
- Druckstellen ausschliessen: Ballen Sie die Hand zur Faust. Der Handschuh darf keine unangenehmen Druckstellen erzeugen, besonders nicht an den Nähten oder Protektoren.
- Saisonplanung: Planen Sie vorausschauend. Mindestens ein ungefüttertes Paar für den Sommer und ein gefüttertes, wasserdichtes Paar für die Übergangszeit sind in der Schweiz eine sinnvolle Grundausstattung.
Leder, Textil oder Kevlar: Welches Material bietet besten Abriebschutz für Hände?
Die Frage nach dem Material ist zentral für die Schutzwirkung, denn bei einem Sturz muss der Handschuh einer extremen Belastung standhalten: der Reibung auf dem Asphalt. Diese erzeugt Hitze und trägt Material ab. Ist der Handschuh durchgescheuert, trifft der Asphalt auf die Haut. Aus medizinischer Sicht ist dies eine Katastrophe, da grossflächige, verschmutzte Wunden mit hohem Infektionsrisiko und komplizierter Wundheilung die Folge sind. Die Abriebfestigkeit ist daher keine Marketing-Floskel, sondern ein entscheidendes Kriterium zur Vermeidung von Weichteilverletzungen.
Traditionell gilt Leder (oft Rind-, Ziegen- oder Känguruleder) als Goldstandard. Känguruleder bietet bei gleicher Dicke eine höhere Reiss- und Abriebfestigkeit als Rindsleder und wird daher oft im High-End- und Rennsportbereich eingesetzt. Ziegenleder ist ein guter Kompromiss aus Robustheit und Flexibilität. Moderne Textilmaterialien, oft auf Polyamid-Basis wie Cordura, haben stark aufgeholt. Ihr Vorteil liegt oft im besseren Komfort, der Atmungsaktivität und der einfacheren Integration von wasserdichten Membranen. Für maximalen Schutz werden sie jedoch oft mit Kevlar- oder Aramid-Fasern an sturzgefährdeten Zonen wie dem Handballen verstärkt. Diese Spezialfasern weisen eine extrem hohe Schnitt- und Hitzebeständigkeit auf.
Die Zertifizierung nach der CE-Norm EN 13594:2015 definiert zwei Schutzklassen, die Aufschluss über die Leistungsfähigkeit geben. Ein Handschuh der Schutzklasse 2 hat strengere Tests bezüglich Abriebfestigkeit, Nahtfestigkeit und Dämpfung des Knöchelprotektors (‚KP‘ für Knuckle Protection) bestanden als einer der Schutzklasse 1. Achten Sie auf das Label „Level 2 KP“ für bestmöglichen Schutz.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Eigenschaften und die auf die Lebensdauer umgelegten Kosten der gängigsten Materialien, basierend auf typischen Preisen und Haltbarkeiten im Schweizer Markt.
| Material | Abriebfestigkeit | Kosten (CHF/Jahr) | Lebensdauer |
|---|---|---|---|
| Känguruleder | Sehr hoch | 50-60 | 5 Jahre |
| Ziegenleder | Hoch | 50 | 5 Jahre |
| Textil | Mittel | 40 | 2 Jahre |
| Kevlar-Verstärkung | Sehr hoch | 70 | 4-5 Jahre |
Wie dünne Sommer-Handschuhe Ihre Hände bei Sturz schutzlos lassen
An einem heissen Sommertag in der Stadt ist die Versuchung gross, auf leichte, dünne Handschuhe oder gar keine zurückzugreifen. Dies ist einer der gefährlichsten Trugschlüsse, denen Motorradfahrer unterliegen. Die physikalischen Gesetze eines Aufpralls ändern sich nicht mit der Aussentemperatur. Die Energie, die bei einem Sturz freigesetzt wird, bleibt dieselbe. Viele Fahrer unterschätzen die Kräfte, die bereits bei typischen Stadtgeschwindigkeiten wirken.
ADAC-Experten haben dies eindrücklich formuliert:
Ein Sturz bei 50 km/h in der Stadt kann auf die Handfläche Kräfte ausüben, die dem Aufprall eines Vorschlaghammers entsprechen.
– ADAC Experten, ADAC Motorradhandschuhe Ratgeber
Ein dünner Sommer-Handschuh aus Mesh-Gewebe ohne Protektoren und ohne Verstärkungen am Handballen ist dieser Wucht nicht gewachsen. Er mag vor dem Abrieb bei einem leichten Rutscher schützen, aber er bietet keinerlei Dämpfung gegen die Aufprallenergie. Das Frakturrisiko für die Handwurzelknochen und Mittelhandknochen bleibt nahezu unverändert hoch im Vergleich zur Fahrt ohne Handschuhe. Es ist ein rein kosmetischer Schutz, der ein falsches Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Die Schwachstellen solcher Handschuhe sind unter dem Mikroskop der Sicherheit offensichtlich. Sie bestehen oft aus Materialien, die primär auf Belüftung und nicht auf Schutz ausgelegt sind.

Diese Makroaufnahme zeigt die fragile Struktur. Das Gewebe mag luftig sein, doch es kann keine Aufprallenergie absorbieren oder verteilen. Ein zertifizierter Handschuh, auch ein Sommermodell, muss immer über einen soliden Knöchelprotektor und eine Aufdopplung oder Polsterung am Handballen verfügen. Moderne, perforierte Lederhandschuhe oder Textilhandschuhe mit grossen, aber geschützten Mesh-Einsätzen bieten hier den richtigen Kompromiss aus Belüftung und Sicherheit.
Ab wie vielen Winter-Fahrten rechtfertigen sich 250-CHF-Heizhandschuhe?
Die Frage nach beheizbaren Handschuhen ist in der Schweiz keine reine Komfort-Frage, sondern eine der aktiven Sicherheit. Kalte, steife Finger führen zu einem signifikanten Verlust der Propriozeption – dem feinen Gefühl für die Bedienung von Kupplung, Bremse und Gas. Die Reaktionszeit verlängert sich, die Dosierbarkeit der Bremse leidet, und die Gefahr eines Bedienfehlers steigt exponentiell. Eine Studie deutet darauf hin, dass die Reaktionszeit bei kalten Fingern um bis zu 30% verlangsamt sein kann. Das ist ein Sicherheitsrisiko, das kein Fahrer eingehen sollte.
Die Rechtfertigung für die Investition von rund 250 CHF lässt sich mathematisch und medizinisch begründen. Betrachten wir einen typischen Schweizer Pendler, der auch in der Übergangszeit und im milden Winter fährt.
Kosten-Nutzen-Analyse für einen Schweizer Pendler
Ein Pendler, der an 4 Monaten im Jahr (z.B. Oktober, November, März, April) an durchschnittlich 10 Tagen pro Monat eine 30-minütige Fahrt zur Arbeit unternimmt, absolviert etwa 80 Fahrten unter kalten Bedingungen. Bei einem Anschaffungspreis von 250 CHF für ein Paar hochwertige Heizhandschuhe entspricht dies Kosten von knapp 3 CHF pro sicherer und komfortabler Fahrt. Angesichts des drastisch reduzierten Unfallrisikos durch die aufrechterhaltene Feinmotorik und Reaktionsfähigkeit ist dies eine geringe Investition in die eigene Gesundheit.
Bei der Wahl des Systems muss zwischen kabellosen Akku-Handschuhen und solchen, die an das Bordnetz angeschlossen werden, unterschieden werden. Die Wahl hängt wiederum vom Einsatzprofil ab, wie der Vergleich zeigt.
Diese Tabelle, basierend auf Tests von Heizhandschuhen für Winterfahrer, verdeutlicht die spezifischen Vor- und Nachteile der Systeme im Schweizer Kontext.
| System | Vorteile | Nachteile | Ideal für |
|---|---|---|---|
| Akku-Handschuhe | Kabellos, flexibel | Begrenzte Laufzeit (3-4h) | Kurze Stadtfahrten in Genf/Basel |
| Bordnetz-System | Unbegrenzte Heizung | Verkabelung nötig | Langstrecken, Winterpässe (z.B. Julier) |
| Heizgriffe | Günstig (ab 50 CHF) | Nur Handinnenseite warm | Gelegenheitsfahrer, Schönwetter-Fahrer |
Warum reduziert komplette Schutzausrüstung schwere Verletzungen um 80%?
Ein Motorradhandschuh, so wichtig er ist, ist nur ein einzelner Baustein in einem umfassenden Sicherheitssystem. Der Körper funktioniert als kinetische Kette, und bei einem Sturz wird die Energie durch den gesamten Körper geleitet. Die Reduktion schwerer Verletzungen um bis zu 80% durch komplette Schutzausrüstung ist keine willkürliche Zahl, sondern das Ergebnis des Zusammenspiels aller Komponenten: Helm, Jacke mit Protektoren, Rückenprotektor, Hose und Stiefel.
Jedes Teil hat eine spezifische Aufgabe in der Biomechanik des Sturzes. Der Helm schützt das Gehirn vor direkten Aufprallkräften. Die Protektoren an Schultern, Ellbogen und Knien absorbieren und verteilen die Energie an den grossen Gelenken. Der Rückenprotektor schützt die Wirbelsäule. Die Stiefel verhindern Torsionsverletzungen und Frakturen im Sprunggelenksbereich. Und die Handschuhe schützen die Hände. Fällt ein Element weg, entsteht eine Schwachstelle, auf die sich die Verletzungsfolgen konzentrieren können.
Gerade bei jungen Fahrern ist oft eine Lücke im Bewusstsein für diese systemische Schutzwirkung zu beobachten. Lucien Combaz, Mediensprecher der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU), bringt die traurige Realität auf den Punkt:
Es gibt zu viele Jugendliche, die sich mit dem Töff schwer oder sogar tödlich verletzen.
– Lucien Combaz, Mediensprecher der BFU
Diese Aussage unterstreicht die Notwendigkeit einer lückenlosen Aufklärung. Die Investition in einen einzelnen, teuren Helm bei gleichzeitigem Verzicht auf Handschuhe oder eine richtige Motorradhose ist eine Fehlkalkulation des Risikos. Nur das Gesamtsystem der Schutzausrüstung schafft Redundanzen und sorgt dafür, dass die Energie eines Sturzes so weit wie möglich vom Körper ferngehalten oder auf eine Weise abgeleitet wird, die keine kritischen Verletzungen verursacht. Die Aussage von Yannick Probst, Mediensprecher der Luzerner Polizei, ist unmissverständlich: „Richtige Ausrüstung mit Helm, Motorradjacke, Motorrad- oder fester Hose sowie Handschuhe kann vor schweren Verletzungen oder gar dem Tod schützen.“
Fest eingenähte oder Steckprotektoren: Was bietet mehr Schutz bei Stürzen?
Innerhalb des Handschuhs ist der Knöchelprotektor das wichtigste Einzelelement zur Verhinderung von Frakturen im Mittelhandbereich, den sogenannten „Boxer-Frakturen“. Doch Protektor ist nicht gleich Protektor. Die Art seiner Integration in den Handschuh spielt eine entscheidende Rolle für seine Wirksamkeit im Moment des Aufpralls. Grundsätzlich gibt es zwei Bauarten: fest mit dem Obermaterial vernähte Protektoren und solche, die in einer Tasche stecken und quasi „schwimmend“ gelagert sind.
Aus biomechanischer Sicht ist ein fest vernähter Protektor in der Regel überlegen. Der Grund ist die direkte Kraftübertragung und die Positionsstabilität. Bei einem Aufprall muss der Protektor die Energie aufnehmen und grossflächig in das umliegende Handschuhmaterial ableiten. Ist er fest vernäht, ist diese Verbindung garantiert. Ein Steckprotektor in einer Tasche hat hingegen ein gewisses Spiel. Im schlimmsten Fall kann er sich beim ersten Kontakt mit dem Asphalt verschieben oder verdrehen und so die Knöchel teilweise oder ganz freilegen. Der Schutz ist damit kompromittiert.
Hochwertige Handschuhe setzen daher fast ausnahmslos auf fest integrierte Hartschalenprotektoren, die oft aus Carbon, TPU (Thermoplastisches Polyurethan) oder einem anderen schlagzähen Kunststoff bestehen. Die entscheidende Prüfung für diese Komponenten ist in der Norm EN 13594:2015, welche spezifisch die Aufprallprüfung für den Knöchelschutz bei Motorradhandschuhen beschreibt. Dabei wird gemessen, wie viel Restenergie der Protektor zum Knöchel durchlässt. Nur Protektoren, die diesen Test bestehen, dürfen das CE-Siegel tragen und bieten einen nachgewiesenen Schutz.
Steckprotektoren finden sich oft in günstigeren Handschuhen oder bei Modellen, bei denen die Flexibilität im Vordergrund steht. Während sie besser als kein Protektor sind, bieten sie nicht dasselbe Mass an garantierter Schutzwirkung bei einem harten Aufprall oder einer langen Rutschphase. Bei der Auswahl sollte daher immer ein kritischer Blick auf die Konstruktion und Befestigung des Protektors geworfen werden. Er sollte sich nicht leicht verschieben lassen und bündig über den Knöcheln sitzen, wenn die Hand zur Faust geballt wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Ihre Hände sind bei einem Sturz durch einen Reflex fast immer die erste Kontaktzone; der Schutz ist nicht optional.
- Ein Handschuh muss nach Einsatzzweck (Stadt, Tour, Rennstrecke) und nicht nach Optik gewählt werden. Material und zertifizierte Protektoren (EN 13594) sind entscheidend.
- Extreme Temperaturen (Hitze und Kälte) beeinträchtigen Ihre Konzentration und Reaktionsfähigkeit massiv und erfordern eine spezifisch angepasste Ausrüstung.
Wie richtige Sommerausrüstung Konzentration bei 35°C um 60% steigert
Während die Gefahren von Kälte offensichtlich sind, wird Hitzestress als Sicherheitsrisiko massiv unterschätzt. Das Fahren in voller Montur bei 35°C, wie es im Schweizer Sommer in Städten oder im Stau vor dem Gotthardtunnel vorkommen kann, führt unweigerlich zu starkem Schwitzen. Dieser Flüssigkeitsverlust verursacht Dehydration, welche die kognitive Leistungsfähigkeit drastisch reduziert. Die Konzentration lässt nach, die Wahrnehmung verengt sich, und die Reizverarbeitung verlangsamt sich.
Eine Studie hat gezeigt, dass bereits eine moderate Dehydration die Fahrleistung ähnlich stark beeinträchtigen kann wie ein Blutalkoholwert von 0,5 Promille. Dies ist eine alarmierende Erkenntnis. Ein Fahrer, der unter Hitzestress leidet, ist faktisch nicht mehr voll fahrtüchtig, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Die richtige Sommerausrüstung ist daher keine Komfort-Option, sondern ein aktiver Beitrag zur Aufrechterhaltung der Konzentrationsfähigkeit.
Moderne Sommerausrüstung – von der Jacke bis zum Handschuh – setzt auf eine intelligente Kombination aus Schutz und Belüftung. Perforiertes Leder, grosse Mesh-Einsätze an sturzunempfindlichen Stellen und helle Farben zur Reduktion der Wärmeaufnahme sind hier die Schlüsseltechnologien. Ein gut belüfteter Handschuh verhindert Hitzestau und Schweissbildung in der Handfläche, was wiederum den Grip und die feinfühlige Bedienung der Armaturen sicherstellt. Falsche Ausrüstung – etwa eine dicke, schwarze Lederjacke im Hochsommer – beschleunigt die Überhitzung und macht den Fahrer zu einem unkalkulierbaren Risiko für sich und andere.
Der Fall des Hitzestresses in Schweizer Tunneln wie dem Gotthard oder San Bernardino oder im Stop-and-Go-Verkehr von Zürich und Lausanne ist ein perfektes Beispiel. Hier kann die Temperatur im stehenden Verkehr schnell auf über 40°C ansteigen. Wer hier auf eine belüftete Ausrüstung verzichtet, bringt sich bewusst in Gefahr. Die Wahl der richtigen Ausrüstung ist also direkt an die Fähigkeit gekoppelt, über die gesamte Fahrt hinweg fokussiert und reaktionsschnell zu bleiben.
Ihre Hände sind Ihr wichtigstes Werkzeug, nicht nur auf dem Motorrad, sondern im ganzen Leben. Die Entscheidung für einen hochwertigen, zertifizierten und zum Einsatzzweck passenden Handschuh ist eine der klügsten Investitionen, die Sie in Ihre langfristige Gesundheit und Fahrtüchtigkeit tätigen können. Bewerten Sie Ihre Ausrüstung noch heute kritisch und treffen Sie bei der nächsten Anschaffung eine informierte, medizinisch fundierte Wahl.