Veröffentlicht am März 11, 2024

Die Jagd nach einem brettharten Fahrwerk für Schweizer Pässe ist ein Trugschluss, der oft zu weniger statt mehr Präzision führt.

  • Wahre Kurvenbeherrschung entsteht nicht durch maximale Steifigkeit, sondern durch eine dynamische Balance, die an die Topografie des Passes angepasst ist.
  • Ein Setup für die fliessenden Kurven des Julierpasses muss anders sein als jenes für die engen Kehren des Furkapasses.

Empfehlung: Werden Sie zum Diagnostiker Ihres eigenen Fahrwerks. Lernen Sie, die Signale Ihrer Maschine zu deuten und mit gezielten Klicks anzupassen, anstatt nach einem starren Universalkonzept zu suchen.

Jeder sportliche Fahrer in der Schweiz kennt das Gefühl: Man attackiert eine schnelle Wechselkurve auf einem Pass, doch das Motorrad fühlt sich plötzlich vage an, verliert die Linie und die Souveränität weicht einer leichten Unsicherheit. Die übliche Reaktion ist oft, das Fahrwerk härter einzustellen, in dem Glauben, mehr Steifigkeit bedeute automatisch mehr Präzision. Doch dieser Ansatz führt oft in eine Sackgasse, macht das Motorrad nervös und reduziert das Feedback an der Haftgrenze.

Die Wahrheit ist, dass die rauen und wechselhaften Bedingungen auf Schweizer Passstrassen – von Flickstellen über unterschiedliche Asphaltqualitäten bis hin zu abrupten Neigungswechseln – ein Fahrwerk erfordern, das arbeiten kann. Es geht nicht nur darum, was man an den Einstellschrauben für Federvorspannung, Zug- und Druckstufe dreht. Es geht darum zu verstehen, *warum* und *wann* man es tut. Die eigentliche Meisterschaft liegt nicht in einem einzigen, perfekten Setup, sondern in der Fähigkeit, zum Diagnostiker des eigenen Motorrads zu werden.

Dieser Artikel bricht mit dem Mythos der Allround-Steifigkeit. Stattdessen liefert er eine praxisnahe Methode, um die dynamische Balance Ihres Fahrwerks zu finden. Sie lernen, die Sprache Ihrer Maschine zu verstehen und Ihr Setup gezielt an die einzigartigen Herausforderungen jedes Passes anzupassen – sei es der rhythmische Julier oder der aggressive Furka. Es ist an der Zeit, von starren Regeln zu einem dynamischen Verständnis überzugehen, das Ihnen auf jedem der unzähligen Schweizer Pässe echte Souveränität und Präzision verleiht.

Der folgende Leitfaden führt Sie systematisch durch die entscheidenden Aspekte der Fahrwerksoptimierung für Schweizer Pässe. Vom Erkennen der Ursachen für Präzisionsverlust bis hin zur praktischen 30-Minuten-Anpassung direkt am Pass – hier finden Sie das notwendige Wissen, um Ihr Fahrerlebnis auf ein neues Level zu heben.

Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zur perfekten Kurvenpräzision auf Schweizer Pässen

Warum verliert Ihr Motorrad in Wechselkurven ab 80 km/h die Präzision?

Das Phänomen ist bekannt und frustrierend: In schnellen Kurvenkombinationen, wie sie auf vielen Schweizer Pässen vorkommen, beginnt das Motorrad zu „schwimmen“ oder unpräzise auf Lenkimpulse zu reagieren. Man verliert das Vertrauen in den Vorderreifen und korrigiert ständig die Linie. Dieses Gefühl der Instabilität ist kein Zeichen von zu wenig Steifigkeit, sondern oft das Resultat eines Fahrwerks, das mit der schnellen Abfolge von Kompression und Ausfedern überfordert ist. Mit einem Bestand von fast 806.000 Motorrädern in der Schweiz im Jahr 2023 ist dieses Problem weit verbreitet.

Drei technische Hauptfaktoren sind dafür meist verantwortlich:

  • Zu schnell eingestellte Zugstufendämpfung: Wenn die Zugstufe (Rebound) zu weit offen ist, federt das Rad zu schnell aus. In Wechselkurven führt dies zum gefürchteten „Pogo-Stick“-Phänomen. Das Fahrwerk kommt nicht zur Ruhe, die Reifen verlieren den optimalen Bodenkontakt und das Motorrad fühlt sich instabil an.
  • Unterschiedliche Asphaltqualitäten: Schweizer Pässe sind ein Flickenteppich aus Belägen. Der ständige Wechsel zwischen griffigem Flüsterasphalt, altem Beton und reparierten Stellen sorgt für permanente Unruhe. Ein zu hart eingestelltes Fahrwerk kann diese Stösse nicht absorbieren und leitet sie direkt an den Fahrer weiter, was die Präzision stört.
  • Tourensportreifen am Limit: Moderne Tourensportreifen sind Alleskönner, doch bei sehr sportlicher Fahrweise und schnellen Lastwechseln stösst ihre Karkasse an strukturelle Grenzen. Das leichte Walken des Reifens kann als Instabilität des Fahrwerks fehlinterpretiert werden.

Das Verständnis dieser Ursachen ist der erste Schritt zur Lösung. Es geht nicht darum, das Fahrwerk „steifer“ zu machen, sondern darum, ihm zu ermöglichen, die Strasse optimal zu „lesen“ und den Reifen konstant am Boden zu halten. Ein professionelles Setup kann hier Wunder wirken, wie es Schweizer Spezialisten wie MB Suspension anbieten, die mit Werten für den Negativfederweg von 35-45mm vorne und 35-40mm hinten arbeiten, um eine ideale Basis für Passfahrten zu schaffen.

Wie optimieren Sie Ihr Fahrwerk für Pässe wie Julier und Furka in 30 Minuten?

Die Theorie ist wichtig, doch die wahre Optimierung findet auf der Strasse statt. Die gute Nachricht: Sie benötigen keine Werkstatt, um signifikante Verbesserungen zu erzielen. Mit dem Bordwerkzeug und einer systematischen Herangehensweise können Sie Ihr Fahrwerk in einer Kaffeepause an die Charakteristik eines Passes anpassen. Der renommierte Schweizer Fahrwerksspezialist Martin Braunhofer bringt es auf den Punkt:

Meine Empfehlung für jeden Straßen- und Wochenendracer auf der Landstraße ist, bei seinem Motorrad mindestens Federrate und Negativ-Federweg anpassen bzw. einstellen zu lassen.

– Martin Braunhofer, MB Suspension Schweiz – Öhlins Partner

Sobald diese Basis (Negativfederweg) stimmt, beginnt das Feintuning. Der Schlüssel liegt darin, nicht alles auf einmal zu verändern, sondern gezielte Anpassungen vorzunehmen. Jeder Pass hat seinen eigenen Rhythmus: Der Julierpass ist fliessend mit weiten Radien, während der Furkapass von engen Kehren und schnellen Richtungswechseln geprägt ist. Ihr Fahrwerk sollte dies widerspiegeln.

Detailaufnahme der Fahrwerkseinstellung am Motorrad mit Werkzeug

Das Bild zeigt es deutlich: Die Einstellschrauben sind Ihr direkter Draht zur Performance. Eine kleine Drehung kann das Verhalten des Motorrads drastisch verändern. Wichtig ist, methodisch vorzugehen und jede Änderung zu dokumentieren, um jederzeit zur Ausgangsbasis zurückkehren zu können.

Ihre Checkliste für die 30-Minuten-Pass-Optimierung

  1. Grundeinstellung notieren: Zählen Sie vor jeder Änderung alle Klicks von der komplett geschlossenen Position aus. Notieren Sie die Werte für Zugstufe, Druckstufe und Federvorspannung (vorne/hinten) in einem Notizbuch. Dies ist Ihre sichere Basis.
  2. Julier-Setting (fliessend & stabil): Für schnelle, weite Kurven braucht es Ruhe im Fahrwerk. Öffnen Sie die Zugstufe um 2 Klicks, um das Motorrad satter auf der Strasse liegen zu lassen. Die Druckstufe bleibt unverändert. Reduzieren Sie den Reifendruck vorne um 0.1 Bar für mehr Eigendämpfung.
  3. Furka-Setting (agil & präzise): Enge Kehren erfordern ein agiles Einlenkverhalten. Schliessen Sie die Druckstufe vorne um 3 Klicks, um mehr Unterstützung beim harten Anbremsen zu haben. Erhöhen Sie die Federvorspannung hinten um 2 mm (oder 2 Umdrehungen) für mehr Handlichkeit.
  4. Testfahrt und Iteration: Führen Sie immer nur EINE Änderung pro Testfahrt durch. Fahren Sie einen bekannten Abschnitt und konzentrieren Sie sich auf das veränderte Gefühl. So spüren Sie den Effekt der Anpassung isoliert.
  5. Reifendruck-Feintuning: Unterschätzen Sie den Reifendruck nicht. Eine Anpassung von nur 0.2 Bar kann oft eine grössere und positivere Wirkung haben als stundenlanges Drehen an den Dämpfern.

Woran erkennen Sie am Datenblatt, ob ein Motorrad wirklich kurvenstabil ist?

Bevor man überhaupt am Fahrwerk schraubt, gibt die grundlegende Geometrie eines Motorrads bereits entscheidende Hinweise auf seinen Charakter. Für die vielfältigen Anforderungen der über 77 offiziellen Pässe der Schweiz ist nicht maximale Agilität oder stoische Stabilität gefragt, sondern ein gelungener Kompromiss. Ein Blick auf das Datenblatt verrät, ob ein Motorrad die Veranlagung für Schweizer Pässe mitbringt.

Vier Werte sind hier entscheidend:

  • Lenkkopfwinkel: Ein flacherer Winkel (z.B. 25°) sorgt für mehr Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten, macht das Motorrad aber träger im Einlenkverhalten. Ein steilerer Winkel (z.B. 23°) macht es extrem agil, aber auch nervös. Für Pässe ist ein Wert um 24.5° oft ein idealer Kompromiss.
  • Nachlauf: Eng mit dem Lenkkopfwinkel verbunden, ist der Nachlauf ein Mass für die Selbststabilisierung des Vorderrads. Mehr Nachlauf (über 100 mm) bedeutet mehr Stabilität, weniger Nachlauf (unter 95 mm) mehr Handlichkeit. Ein Wert zwischen 95 und 100 mm ist ein guter Indikator für einen Allrounder.
  • Radstand: Der Abstand zwischen Vorder- und Hinterachse. Ein kurzer Radstand (unter 1420 mm) fördert die Agilität in engen Kehren, kann aber bei schnellen Bodenwellen zu Unruhe führen. Ein langer Radstand (über 1440 mm) beruhigt das Fahrwerk, macht es aber unhandlicher.
  • Schwingenlänge: Eine längere Schwinge verbessert die Traktion am Hinterrad und reduziert die Wheelie-Neigung, was am Kurvenausgang auf dem Pass vorteilhaft ist.

Die folgende Tabelle fasst zusammen, wie sich diese Werte auf das Fahrverhalten auswirken und wo der „Sweet Spot“ für die typische Schweizer Pass-Topografie liegt.

Geometriewerte und ihre Auswirkung auf Schweizer Pässe
Geometriewert Optimal für enge Kehren Optimal für schnelle Kurven Kompromiss Schweizer Pässe
Lenkkopfwinkel 23-24° 25-26° 24.5°
Nachlauf 85-95mm 100-110mm 95-100mm
Radstand 1380-1420mm 1440-1480mm 1420-1440mm
Schwingenlänge Kurz (560mm) Lang (600mm) 580mm

Der Fahrwerks-Fehler, der 60% der sportlichen Fahrer in Schräglage verunsichert

Der wohl häufigste und gleichzeitig am meisten unterschätzte Fehler ist das blinde Vertrauen in die Werkseinstellung. Viele Fahrer gehen davon aus, dass die Ingenieure ein perfektes Allround-Setup entwickelt haben. Doch die Realität ist ernüchternd: Die Werkseinstellung ist fast immer für einen Durchschnittsfahrer von 75 kg ohne Gepäck auf idealen Strassen ausgelegt. Dieses Szenario trifft auf kaum einen Schweizer Passfahrer zu, der oft mit Tourengepäck und auf unebenem Belag unterwegs ist.

Die Konsequenz ist eine falsche Fahrwerksbalance, die zu massiver Verunsicherung in Schräglage führt. Das Problem liegt meist in einer zu weichen Federabstimmung für das tatsächliche Fahrergewicht plus Ausrüstung. Ein typisches Beispiel zeigt das Problem am Negativfederweg (Sag): Wenn der statische Sag (N1, nur Motorradgewicht) 25 mm beträgt, der dynamische Sag (N2, mit Fahrer) aber auf 45 mm absinkt, ist die Feder für den Fahrer und die Belastungen auf Passstrassen schlicht zu weich. Das Motorrad sackt hinten zu tief ein, der Lenkkopfwinkel wird flacher und das Einlenkverhalten in Spitzkehren verschlechtert sich dramatisch. Optimale Werte für Touren auf Pässen mit Gepäck sind etwa 35 mm vorne und 40 mm hinten (N2).

Motorradfahrer korrigiert Schräglage in enger Schweizer Alpenkehre

Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass der Fahrer in der Kurve ständig korrigieren muss. Das Motorrad „fällt“ nicht harmonisch in die Schräglage, sondern kippt unwillig ab oder stellt sich unter Bremsdruck auf. Man kämpft gegen die Maschine, anstatt mit ihr zu tanzen. Dieser Kampf gegen eine falsche Balance ist der Hauptgrund für Unsicherheit und mangelnde Präzision, nicht eine vermeintlich fehlende Fahrtechnik.

Ab welchem Fahrniveau rechtfertigt sich ein 2’500-CHF-Sportfahrwerk?

Die Verlockung ist gross: Ein edles Fahrwerk von Öhlins, WP oder Touratech verspricht Performance auf Knopfdruck. Doch bevor man 2’500 CHF oder mehr investiert, sollte man eine ehrliche Bestandsaufnahme machen. In den meisten Fällen ist nicht das Serienfahrwerk der limitierende Faktor, sondern dessen falsche Einstellung oder die eigene Fahrtechnik. Ein professionelles Setup des bestehenden Fahrwerks kostet bei einem Schweizer Spezialisten durchschnittlich um die 800 CHF und ist oft die weitaus sinnvollere erste Investition.

Ein teures Sportfahrwerk rechtfertigt sich erst, wenn das Serienfahrwerk nachweislich an seine physikalischen Grenzen stösst. Die folgende „Sustenpass-Benchmark“ hilft bei der Entscheidung:

  • Kriterium 1: Mangelnde Dämpfungsreserven. Sie fahren eine anspruchsvolle Passstrecke wie den Susten wiederholt und spüren, dass das Fahrwerk auch bei maximal geschlossener Dämpfung durchschlägt oder nach Bodenwellen stark nachschwingt.
  • Kriterium 2: Federbasis nicht einstellbar. Trotz aller Versuche lässt sich der korrekte Negativfederweg für Ihr Gewicht (mit Ausrüstung) nicht erreichen, weil die Serienfeder zu weich oder zu hart ist.
  • Kriterium 3: Regelmässige Extrembelastung. Sie fahren sehr häufig mit voller Beladung und Sozius über Pässe und das Fahrwerk fühlt sich konstant überfordert und „schwammig“ an.

Wenn Sie diese Punkte nicht eindeutig mit „Ja“ beantworten können, gibt es intelligentere Investitionen. Eine oft übersehene Alternative ist die Investition in die eigenen Fähigkeiten. Ein gutes Kurventraining für 300-500 CHF bringt oft einen grösseren Performance-Sprung als neue Hardware. Dort lernen Sie, sauberere Linien zu fahren und das vorhandene Potenzial Ihres Motorrads voll auszuschöpfen. Experten sind sich einig: Bei rund 90% der Fahrer reicht eine professionelle Überarbeitung und Einstellung des Serienfahrwerks vollkommen aus, um ein exzellentes Fahrverhalten auf der Strasse zu erzielen.

Wie bereiten Sie sich auf Ihr erstes Trackday-Training vor ohne zu überfordern?

Der Wechsel von der Passstrasse auf die Rennstrecke ist ein grosser Schritt, der eine andere Herangehensweise erfordert – nicht nur mental, sondern vor allem technisch. Der grösste Fehler, den Anfänger machen, ist, mit ihrem bewährten Pass-Setup auf die Rennstrecke zu gehen. Das kann nicht nur ineffizient, sondern sogar gefährlich sein. Der deutsche Superbike-Meister und Fahrwerkstuner Martin Bauer warnt eindringlich:

Das Trackday-Setup ist nicht das Pass-Setup: Auf der ebenen Rennstrecke braucht man mehr Vorspannung und mehr Dämpfung. Die Pass-Einstellung kann hier sogar gefährlich sein.

– Martin Bauer, Deutscher Superbike Meister und Fahrwerkstuner

Warum dieser fundamentale Unterschied? Auf dem Pass ist ein gewisser Komfort und die Fähigkeit, Unebenheiten zu absorbieren, entscheidend. Das Fahrwerk muss „weich“ genug sein, um den Kontakt zur Strasse nicht zu verlieren. Auf der spiegelglatten Rennstrecke hingegen geht es um maximale Präzision unter hoher Last. Hier würde das komfortable Pass-Setup beim harten Anbremsen zu stark eintauchen und in schnellen Kurven zu viel Bewegung ins Chassis bringen.

Die mentale Vorbereitung ist ebenso wichtig. Der häufigste Grund für Überforderung ist der selbst auferlegte Leistungsdruck. Vergessen Sie Rundenzeiten und Überholmanöver. Setzen Sie sich für Ihren ersten Trackday ausschliesslich Lernziele. Konzentrieren Sie sich auf drei Dinge: die Ideallinie, konstante Bremspunkte und sauberes Schalten. Beobachten Sie die Instruktoren und schnelleren Fahrer. Versuchen Sie nicht, mitzuhalten, sondern deren Linien zu verstehen und in Ihrem Tempo zu adaptieren. Die Geschwindigkeit kommt von allein, wenn die Technik sauber ist.

Wie optimieren Sie Ihr Fahrwerk für Pässe wie Julier und Furka in 30 Minuten?

Die zuvor beschriebene 30-Minuten-Methode ist kein einmaliger Akt, sondern der Beginn einer neuen Herangehensweise an das Motorradfahren. Die wahre Meisterschaft liegt in der kontinuierlichen Anwendung und Verfeinerung dieses Prozesses. Es geht darum, eine tiefe Verbindung und ein Verständnis für das Verhalten des eigenen Motorrads zu entwickeln. Jede Fahrt wird so zu einer Lektion, jedes Feedback der Maschine zu einer wertvollen Information.

Betrachten Sie Ihr Fahrwerk nicht mehr als statische Einstellung, sondern als dynamisches Werkzeug. Nach einigen Fahrten mit der „Ein-Klick-Regel“ werden Sie ein Gefühl dafür entwickeln, wie sich eine härtere Druckstufe auf das Einlenkverhalten oder eine langsamere Zugstufe auf die Stabilität auswirkt. Sie beginnen, die Bedürfnisse Ihres Motorrads vorherzusehen, basierend auf der Art der Strasse, die vor Ihnen liegt. Sehen Sie eine Serie enger Kehren, wissen Sie instinktiv, dass etwas mehr Unterstützung von der Gabel (mehr Druckstufe) hilfreich sein wird.

Diese fortlaufende Optimierung ist der Kern der Fahrwerksbeherrschung. Es ist ein Dialog zwischen Fahrer, Maschine und Strasse. Anstatt nach dem mythischen „perfekten“ Setup zu suchen, akzeptieren Sie, dass das optimale Setup immer kontextabhängig ist. Diese Erkenntnis befreit von dem Druck, alles richtig machen zu müssen, und öffnet die Tür zu einem spielerischen, experimentellen und letztlich viel souveräneren Fahrstil.

Das Wichtigste in Kürze

  • Dynamische Balance ist wichtiger als maximale Steifigkeit: Ein Fahrwerk muss arbeiten können, um auf Schweizer Pässen optimal zu funktionieren.
  • Die korrekte Grundeinstellung (Negativfederweg) für Ihr Gewicht ist die absolute Priorität vor jeglichem Feintuning der Dämpfung.
  • Passen Sie Ihr Setup an die Topografie an: Ein fliessender Pass wie der Julier erfordert eine andere Abstimmung als ein aggressiver Pass wie der Furka.

Wie Sie ein Superbike auf der Rennstrecke sicher an seine Grenzen bringen

Ein modernes Superbike an seine Grenzen zu bringen, bedeutet heute, im Einklang mit seiner ausgeklügelten Elektronik zu arbeiten. Die Zeiten, in denen es nur um mechanischen Grip ging, sind vorbei. Traktionskontrolle, Wheelie-Control und Kurven-ABS sind keine „Sicherheitsnetze für Anfänger“ mehr, sondern hochentwickelte Diagnose-Tools, die wertvolles Feedback über den Zustand des Chassis an der Haftgrenze geben.

Ein hervorragendes Beispiel ist das Vorgehen mit der neuen Yamaha XSR900 GP. Deren Elektronik erlaubt es, nach einem Turn die Eingriffe der Systeme auszulesen. Wenn die Traktionskontrolle am Kurvenausgang ständig regelt, ist das ein klares Signal: Entweder ist der Gaseinsatz zu aggressiv, oder das Heck hat nicht genug mechanischen Grip, um die Kraft des CP3-Motors auf den Boden zu bringen. Hier kann eine Anpassung der Zugstufe am Federbein helfen, das Heck zu beruhigen und die Traktion zu verbessern. Eine weitere, von Profis genutzte Diagnosetechnik ist das Trail-Braking (in die Kurve hineinbremsen). Indem man die Gabel unter Last setzt, erhält man präzises Feedback über den Zustand des Vorderreifens und die Balance des Chassis an der absoluten Haftgrenze.

Die Kunst besteht darin, die elektronischen Helfer nicht als Limit, sondern als Lehrmeister zu nutzen. Ein Superbike-Setting unterscheidet sich hier deutlich von einem Naked-Bike-Setting, wie die Tabelle zeigt.

Elektronische Fahrhilfen richtig nutzen – Superbike vs. Naked Bike
System Superbike-Setting Naked Bike-Setting Lerneffekt
Traktionskontrolle Stufe 2-3 von 9 Stufe 4-5 von 9 Eingriffe zeigen Haftgrenze
Wheelie-Control Minimal (Stufe 1) Mittel (Stufe 3) Zeigt optimale Beschleunigung
Kurven-ABS Race-Modus Sport-Modus Späte Bremspunkte trainieren
Engine-Brake Reduziert Standard Stabilität beim Anbremsen

Indem man die Systeme schrittweise reduziert, tastet man sich an das Limit heran und lernt, wo die Physik die Grenzen setzt, nicht die Elektronik. Dies erfordert Mut, eine saubere Fahrtechnik und ein methodisches Vorgehen. Das Ziel ist es, so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich regeln zu lassen.

Beginnen Sie noch heute damit, zum Diagnostiker Ihres eigenen Motorrads zu werden. Der erste, wichtigste Schritt ist die Überprüfung Ihres Negativfederwegs und das Notieren Ihrer aktuellen Grundeinstellung. Ihre nächste Passfahrt oder Ihr nächster Trackday wird es Ihnen mit spürbar mehr Präzision und Souveränität danken.

Häufig gestellte Fragen zum Fahrwerks-Setup für Strasse und Rennstrecke

Wie unterscheidet sich das Setup für Anneau du Rhin vom Pass-Setup?

Für eine Rennstrecke wie Anneau du Rhin benötigen Sie ein deutlich strafferes Setup. Reduzieren Sie den Negativfederweg auf 25-30 mm vorne und hinten, um die Geometrie schärfer zu machen. Erhöhen Sie die Druckstufe um 4-6 Klicks, um das starke Bremsen abzufangen, und machen Sie die Zugstufe 2 Klicks schneller (offener), um das Fahrwerk für schnelle Lastwechsel agiler zu machen.

Welche mentale Vorbereitung hilft gegen den Leistungsdruck beim ersten Trackday?

Setzen Sie sich Lernziele statt Rundenzeiten. Konzentrieren Sie sich auf eine saubere Linienwahl, späte und konstante Bremspunkte und das Gefühl für das Motorrad. Der Speed ist eine Folge der sauberen Technik, nicht das primäre Ziel.

Sollte ich mein Pass-Fahrwerk vor dem Trackday umbauen lassen?

Nein. Nutzen Sie für die ersten Trackdays die Einstellmöglichkeiten Ihres Serienfahrwerks voll aus. Lernen Sie zuerst, die Unterschiede zwischen einem weichen und einem harten Setup zu spüren. Ein teurer Umbau lohnt sich erst, wenn Sie nach mehreren Trackdays das Serienmaterial konstant an seine Grenzen bringen.

Geschrieben von Daniel Zimmermann, Daniel Zimmermann ist Maschinenbauingenieur ETH mit Spezialisierung auf Motorrad-Fahrwerkstechnik und Aerodynamik, ehemaliger Supersport-Rennfahrer und seit 11 Jahren als Performance-Berater und Trackday-Instruktor tätig.