Veröffentlicht am Mai 11, 2024

Zusammenfassend:

  • Das Potenzial eines Superbikes lässt sich auf Schweizer Strassen wegen drakonischer Gesetze (Via Sicura) legal und sicher nicht ausschöpfen.
  • Strukturierte Trackdays mit Instruktoren bieten den einzig sinnvollen Rahmen, um die eigenen Fähigkeiten und die des Motorrads schrittweise und sicher zu entdecken.
  • Der Schlüssel zum Erfolg ist nicht pure Leistung, sondern ein methodischer Kompetenzaufbau, der das Verständnis für Grip, Fahrwerk und die richtige Fahrtechnik in den Mittelpunkt stellt.

Sie besitzen ein technologisches Meisterwerk auf zwei Rädern. 200 PS, feinste Elektronik, ein Fahrwerk direkt aus dem Rennsport. Doch im Alltag auf Schweizer Strassen fühlt es sich an, als würden Sie einen Geparden an der Leine durch eine Fussgängerzone führen. Die Tachonadel zittert kaum über 80 km/h, der Motor dreht im Wohlfühlbereich und das brachiale Potenzial schlummert ungenutzt unter Ihnen. Diese Frustration kennt jeder ambitionierte Sportfahrer in der Schweiz. Viele glauben, die Lösung sei ein besserer Auspuff, leichtere Felgen oder einfach der mutige Besuch auf einer Rennstrecke.

Doch die wahre Leistungsentfaltung ist kein Material-Upgrade und auch kein unkontrollierter Geschwindigkeitsrausch. Es ist ein methodischer Prozess. Was wäre, wenn der Schlüssel darin liegt, zuerst die mentalen Fesseln des Strassenverkehrs bewusst abzulegen? Die ständige Angst vor Radarkontrollen, unberechenbaren Verkehrsteilnehmern und wechselnden Strassenbelägen prägt einen Fahrstil, der auf der Rennstrecke kontraproduktiv ist. Um das volle Potenzial Ihres Superbikes zu erleben, müssen Sie nicht nur den Ort, sondern vor allem Ihre Herangehensweise ändern.

Dieser Guide ist Ihr Instruktor. Wir überspringen die Binsenweisheiten und konzentrieren uns auf den prozessorientierten Weg vom respektvollen Strassenfahrer zum souveränen Rennstreckenpiloten. Wir analysieren, warum die Rennstrecke in der Schweiz eine Notwendigkeit ist, wie Sie sich ohne Überforderung auf Ihr erstes Training vorbereiten, welche Maschine für Ihre Ziele sinnvoll ist und welche fundamentalen Fahrtechnik-Fehler Sie von Anfang an vermeiden müssen, um Ihr Potenzial sicher zu entfesseln.

Der folgende Artikel führt Sie schrittweise durch die entscheidenden Phasen, um Ihr Superbike und Ihre eigenen Fähigkeiten auf ein neues Level zu heben. Die Gliederung dient Ihnen als Fahrplan für Ihre persönliche Potenzial-Entfaltung auf der Rennstrecke.

Warum nutzen 95% der Superbike-Besitzer nur 30% auf öffentlichen Strassen?

Die Antwort auf diese Frage ist für jeden Fahrer in der Schweiz offensichtlich und lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Via Sicura. Während die Technologie der Superbikes exponentiell vorangeschritten ist, haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen massiv verschärft. Die strengen Schweizer Geschwindigkeitslimits von 80 km/h ausserorts und 50 km/h innerorts degradieren ein 200-PS-Motorrad zu einem reinen Designobjekt. Der erste Gang einer modernen Ducati Panigale oder BMW S 1000 RR reicht oft schon aus, um die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Landstrassen zu überschreiten. Das Fahren im legalen Rahmen bedeutet, den Motor chronisch zu unterfordern und das Potenzial des Fahrwerks nicht einmal ansatzweise zu spüren.

Doch es ist nicht nur die Limitierung, sondern die drakonischen Konsequenzen, die den Fahrspass abwürgen. Das 2012 eingeführte Verkehrssicherheitsprogramm Via Sicura hat die Schweiz zu einem der strengsten Länder Europas gemacht. Schon eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/h innerorts kann als Raserdelikt eingestuft werden. Die Folgen sind existenzbedrohend: Laut einer Analyse der Massnahmen von Via Sicura drohen nicht nur Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren und ein Führerausweisentzug von mindestens zwei Jahren, sondern auch die Beschlagnahmung und Verwertung des Fahrzeugs. Das Risiko, sein teuer erworbenes Superbike für einen kurzen Moment der Unachtsamkeit oder des Übermuts für immer zu verlieren, ist real.

Diese Kombination aus engem legalen Korsett und extremen Strafen führt zu einem paradoxen Zustand: Man besitzt eines der leistungsfähigsten Fahrzeuge der Welt, kann aber dessen Kernkompetenz – die Performance – niemals legal und sicher erleben. Die öffentliche Strasse ist somit per Definition der falsche Ort. Der Schritt auf die Rennstrecke ist daher keine Option mehr, sondern die einzige logische Konsequenz für jeden, der die Faszination seines Superbikes wirklich erfahren möchte, ohne seine finanzielle und persönliche Zukunft zu gefährden.

Wie bereiten Sie sich auf Ihr erstes Trackday-Training vor ohne zu überfordern?

Die grösste Hürde für den ersten Trackday ist oft nicht die Technik, sondern die Vorstellung im Kopf: Ein Fahrerlager voller Profis, gnadenloser Wettbewerb und die Angst, im Weg zu sein. Die Realität, besonders bei Einsteiger-Trainings in der Schweiz und im nahen Ausland, ist das genaue Gegenteil. Der Schlüssel zur Vorbereitung liegt darin, sich bewusst für ein Anfänger-Event zu entscheiden und die Erwartungen richtig zu setzen. Es geht nicht um Rundenzeiten, sondern um das sichere Kennenlernen der Strecke und das schrittweise Ablegen der „mentalen Strassen-Fesseln“.

Die Atmosphäre im Fahrerlager ist meist entspannt und von gegenseitiger Hilfe geprägt. Wie Patrick von The Riders seinen ersten Trackday am Anneau du Rhin beschreibt, wich die anfängliche Nervosität schnell der Begeisterung über die Kameradschaft und die strukturierte Herangehensweise. Die Fahrer werden in Leistungsgruppen eingeteilt, sodass man stets mit Piloten auf ähnlichem Niveau unterwegs ist. Instruktoren führen die Neulingsgruppen in den ersten Runden an die Ideallinie heran und geben wertvolle Tipps. Dieses geführte Umfeld ist entscheidend, um nicht überfordert zu werden und methodisch Kompetenz aufzubauen.

Entspannte Paddock-Szene mit Motorradfahrern verschiedener Erfahrungsstufen

Wie die Szene im Fahrerlager zeigt, ist die Stimmung geprägt von Gemeinschaft und Vorbereitung, nicht von Konkurrenzdruck. Die physische Vorbereitung ist ebenfalls simpel: Ihr Motorrad muss in technisch einwandfreiem Zustand sein (Bremsen, Reifen, keine Flüssigkeitsverluste) und Sie benötigen eine komplette Schutzausrüstung aus Leder. Viele Veranstalter bieten auch Leih-Equipment an. Fokussieren Sie sich auf einen Veranstalter, der explizit Instruktoren-geführte Gruppen für Einsteiger anbietet. Hier ist eine Auswahl an gut erreichbaren Optionen für Schweizer Fahrer:

  • TCS Moto TrackDays: Finden auf der einzigen permanenten Rennstrecke der Schweiz in Lignières statt und sind ideal für den Einstieg.
  • Cornu Master School: Bietet professionelle Trainings, oft auf dem Anneau du Rhin im Elsass, nur rund 50 km von Basel entfernt.
  • Max Racing Wallisellen: Ein weiterer etablierter Schweizer Anbieter mit Events auf verschiedenen Strecken.
  • Weitere Strecken: Der Hockenheimring in Deutschland ist ebenfalls eine beliebte und gut erreichbare Option für Fahrer aus der Deutschschweiz.

Superbike mit Zulassung oder reines Trackbike: Was bei 6 Trackdays pro Jahr?

Die Frage nach dem richtigen Motorrad ist eine zentrale strategische Entscheidung. Am Anfang ist es absolut sinnvoll, mit dem eigenen, strassenzugelassenen Motorrad zu starten. So konzentrieren Sie sich voll auf das Fahren, ohne sich an ein neues Fahrzeug gewöhnen zu müssen. Doch sobald Sie regelmässig – sagen wir, ab etwa sechs Trackdays pro Jahr – auf der Rennstrecke unterwegs sind, verschiebt sich die Kosten-Nutzen-Rechnung dramatisch. Der grösste Faktor ist das Sturzrisiko und der damit verbundene Wertverlust. Ein Rutscher auf der Rennstrecke kann bei einem strassenzugelassenen Superbike schnell einen Schaden von mehreren tausend Franken an Verkleidung, Hebeln und Rahmen verursachen, der den Wert des Motorrads massiv mindert.

Finanziell betrachtet kommen zu den reinen Teilnahmegebühren, die laut einer Kostenanalyse von The Riders oft zwischen CHF 200 und 320 pro Trackday liegen, weitere laufende Kosten hinzu. Bei einem reinen Trackbike entfallen die jährlichen Gebühren für Versicherung und Strassenverkehrsamt. Auch wenn die Anschaffung eines gebrauchten Trackbikes zunächst teurer erscheint und ein Anhänger für den Transport nötig wird, ist der finanzielle und emotionale Schaden bei einem Sturz ungleich geringer. Eine zerkratzte Rennverkleidung ist ein Schönheitsfehler, eine beschädigte Originalverkleidung ein teures Ärgernis.

Die folgende Tabelle stellt die wesentlichen Kostenpunkte gegenüber und verdeutlicht, ab wann sich der Umstieg rechnet:

Kostenvergleich: Strassenbike vs. Gebrauchtes Trackbike
Kostenpunkt Strassenbike umbauen Gebrauchtes Trackbike
Anschaffung/Umbau CHF 2’500-4’000 Ab CHF 6’000
Versicherung Teilkasko weiterhin nötig Keine Strassenversicherung
Strassenverkehrsamt Jährliche Gebühren Keine Gebühren
Transport Auf eigener Achse möglich Anhänger nötig (+ Vignette)
Wertverlust bei Sturz Hoch (Strassenzulassung) Gering (bereits Trackbike)
Reifen pro Tag CHF 40 Verschleiss CHF 550 (Slicks + Service)

Die Entscheidung für ein reines Trackbike ist auch eine mentale Befreiung. Sie müssen keine Kompromisse mehr beim Fahrwerks-Setup eingehen, können auf profillose Slicks für maximalen Grip wechseln und müssen sich keine Sorgen mehr um den Rückweg auf eigener Achse machen. Ab einer gewissen Frequenz ist ein dediziertes Rennstreckenmotorrad nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch ein entscheidender Schritt für einen ernsthaften methodischen Kompetenzaufbau.

Der Grip-Irrtum, der 40% der Trackday-Anfänger in Kurve 3 stürzen lässt

Auf der Strasse vertrauen wir unseren Reifen fast blind. Sie funktionieren bei Kälte, bei Nässe und auf unterschiedlichen Belägen. Dieser anerzogene Instinkt wird vielen Anfängern auf der Rennstrecke zum Verhängnis. Sie gehen mit der gleichen Erwartungshaltung in die ersten Runden und missverstehen die grundlegende Physik eines Rennreifens. Der häufigste Fehler ist nicht zu viel Gas oder zu viel Schräglage, sondern das Vertrauen in den Grip eines kalten Reifens. Ein Sturz in der dritten oder vierten Kurve ist oft die direkte Folge.

Das 1000PS Racing Team fasst die häufigsten Ursachen für Stürze in Anfängergruppen treffend zusammen:

Bei unseren 1000PS Bridgestone Grippartys haben Stürze in der Anfängergruppe bei niedrigem Tempo meist folgende, leicht vermeidbare, Ursachen: Technische Mängel am Motorrad, unpassende Reifen (meist bei hohen oder niedrigen Temperaturen), Konzentrationsmängel am Nachmittag durch Übermüdung, mangelnde Fitness, ‚Schreckbremsungen‘ am Kurveneingang.

– 1000PS Racing Team, 1000PS Rennstrecken-Guide

Der entscheidende Punkt ist das Temperaturfenster. Während ein Strassenreifen einen breiten Einsatzbereich hat, benötigen Sport- oder Rennreifen (Slicks) eine spezifische Betriebstemperatur, um ihre chemische Haftung (den „Grip“) zu entfalten. Wie Experten von RACEFOXX in einer Analyse zum Reifentemperatur-Management auf der Rennstrecke betonen, liegt dieses optimale Fenster oft zwischen 70 und 90 Grad Celsius. Unterhalb dieser Temperatur ist der Reifen hart und bietet deutlich weniger Haftung als ein guter Strassenreifen. Die ersten zwei bis drei Runden dienen daher ausschliesslich dazu, durch gezieltes Beschleunigen und Bremsen Temperatur in die Reifen zu bringen.

Makroaufnahme eines Motorradreifens mit sichtbarer Oberflächenstruktur und Temperatureffekt

Die visuelle Veränderung der Reifenoberfläche von einem harten, kalten Zustand zu einer klebrig-glänzenden Textur ist ein Indikator für den erreichten Grip. Ohne Reifenwärmer, die bei Slicks unerlässlich sind, erfordert dieser Prozess Disziplin und Geduld. Wer hier zu früh angreift, riskiert einen harmlosen, aber frustrierenden Rutscher. Ein tiefes Grip-Verständnis zu entwickeln ist eine der ersten und wichtigsten Lektionen auf der Rennstrecke.

Ab welchem Fahrniveau rechtfertigt sich der Sprung zum 200-PS-Superbike?

Die Faszination eines 200-PS-Superbikes ist unbestreitbar. Doch auf der Rennstrecke kann zu viel Leistung für einen Anfänger oder Fortgeschrittenen schnell zum Hemmschuh werden. Ein leistungsschwächeres Motorrad zwingt dazu, sauber zu fahren, den Schwung durch die Kurven mitzunehmen und präzise Linien zu wählen. Ein 200-PS-Bike hingegen verzeiht viele Fehler am Kurveneingang und in der Mitte, da man verlorene Zeit auf der Geraden einfach mit Leistung kompensiert. Dies führt oft zu einem unsauberen Fahrstil und einem früh erreichten Leistungs-Plateau, von dem man nur schwer wieder wegkommt.

Wann also ist der richtige Zeitpunkt für den Aufstieg? Der ehemalige Weltklasse-Rennfahrer Max Neukirchner bringt es auf den Punkt:

Wenn Sie auf Ihrer 120-PS-Maschine am Kurvenausgang regelmässig den Gashahn zu 100% öffnen und das Gefühl haben, das Fahrwerk könnte mehr vertragen, ist es Zeit für den nächsten Schritt.

– Max Neukirchner, TOPSBK Riding School

Dieses Zitat beschreibt perfekt das Gefühl, das „kleinere“ Motorrad vollends ausgereizt zu haben. Es geht nicht darum, auf der Geraden der Schnellste zu sein, sondern darum, die gesamte Performance des Pakets – Motor, Fahrwerk und Reifen – am Limit zu bewegen. Wenn die Traktionskontrolle am Kurvenausgang nicht mehr regelt, weil Sie den Gaseinsatz perfekt beherrschen, und das Knie in jeder Kurve kontrolliert am Boden ist, dann kann mehr Leistung der nächste logische Schritt sein. Vorher ist sie oft nur eine teure Ablenkung vom Wesentlichen: dem methodischen Kompetenzaufbau.

Ihr Action-Plan: Sind Sie bereit für 200 PS?

  1. Konstanz prüfen: Fahren Sie über mehrere Runden konstante Zeiten mit einer Abweichung von weniger als zwei Sekunden.
  2. Gaskontrolle auditieren: Beherrschen Sie am Kurvenausgang Ihrer aktuellen Maschine regelmässig den vollen Gaseinsatz, ohne Traktionsprobleme zu provozieren?
  3. Fahrtechnik bewerten: Setzen Sie Ihren Knie-Slider in den meisten Kurven als konstanten Indikator für die Schräglage ein, nicht nur zufällig?
  4. Bremspunkte analysieren: Haben Sie Ihre Bremspunkte seit Ihren Anfängen systematisch und kontrolliert um mindestens 20-30 Meter nach hinten verlegt?
  5. Überholkompetenz einschätzen: Führen Sie Überholmanöver am Kurveneingang und -ausgang sicher, vorhersehbar und ohne Hektik durch?

Der Fahrwerks-Fehler, der 60% der sportlichen Fahrer in Schräglage verunsichert

Viele ambitionierte Fahrer investieren tausende Franken in Titan-Auspuffanlagen und Carbon-Teile, vernachlässigen aber das mit Abstand wichtigste Performance-Tool ihres Motorrads: das Fahrwerk. Ein für den Strassenkomfort weich eingestelltes Fahrwerk ist auf der Rennstrecke nicht nur leistungsmindernd, sondern potenziell gefährlich. Das typische Symptom ist ein „Pumpen“ oder „Schaukeln“ in schnellen Kurven oder beim harten Beschleunigen, was das Vertrauen in die Schräglage massiv untergräbt. Das Gefühl, nicht zu wissen, was das Motorrad unter einem tut, stammt fast immer von einem unpassenden Setup.

Die Erfahrung aus unzähligen Rennstreckentrainings bestätigt dies. Roland Resch von RIDE IT UP berichtet von einem Kunden, der allein durch ein professionelles Fahrwerks-Setup seine Rundenzeit auf Anhieb um beeindruckende 9 Sekunden verbesserte – ohne schneller fahren zu „wollen“. Das Motorrad lag einfach ruhiger, gab mehr Rückmeldung und erlaubte so dem Fahrer, sein vorhandenes Potenzial abzurufen. Ein korrekt eingestelltes Fahrwerk schafft eine stabile Plattform, die präzise Linien und ein klares Feedback über den Grip-Zustand der Reifen ermöglicht.

Für den ersten Trackday ist es nicht nötig, ein Vermögen für einen Fahrwerksspezialisten auszugeben. Aber einige grundlegende Anpassungen sind unerlässlich, um das Strassen-Setup in ein Basis-Rennstrecken-Setup zu verwandeln. Die meisten modernen Superbikes bieten Einstellmöglichkeiten für Federvorspannung, Druck- und Zugstufe. Als Ausgangspunkt können Sie folgende Anpassungen vornehmen (Klicks immer von der komplett geschlossenen Position aus gezählt):

  • Druckstufe vorne/hinten: 2-4 Klicks härter einstellen, um das Eintauchen beim Bremsen zu reduzieren und mehr Stabilität zu geben.
  • Zugstufe vorne/hinten: 1-2 Klicks langsamer (mehr Dämpfung) einstellen, um das schnelle Ausfedern und „Aufschaukeln“ zu verhindern.
  • Federvorspannung: Der statische Negativfederweg („Sag“) sollte für die Rennstrecke im Bereich von 25-30 mm liegen. Dies erfordert oft Hilfe von einer zweiten Person zum Messen.
  • Reifendruck: Reduzieren Sie den Reifendruck (kalt) um ca. 0.2-0.3 bar gegenüber der Strassenempfehlung, um eine grössere Aufstandsfläche und bessere Temperaturentwicklung zu erreichen.

Sollten Sie 80-PS-Twin mit Charakter oder 120-PS-Vierzylinder ohne Seele nehmen?

Die Debatte zwischen Zweizylinder- und Vierzylindermotoren wird oft emotional geführt, mit Begriffen wie „Charakter“ und „Seele“. Aus der Sicht eines Rennstrecken-Instruktors ist diese Diskussion jedoch rein pragmatisch: Welches Motorkonzept ist das bessere Lernwerkzeug für welches Ziel? Ein 80-PS-V2-Motor, wie in einer Suzuki SV650, und ein 120-PS-Reihenvierzylinder, wie in einer Honda CBR650R, vermitteln fundamental unterschiedliche Lektionen in Sachen Fahrtechnik.

Der Zweizylinder mit seinem kräftigen Drehmoment aus dem Drehzahlkeller reagiert extrem direkt auf Gasbefehle. Jeder noch so kleine Fehler bei der Gaskontrolle am Kurvenausgang wird sofort mit einem Lastwechsel oder einem rutschenden Hinterrad quittiert. Wie Peter Studer von have-fun.ch Fahrtrainings es treffend formuliert:

Es geht nicht um ‚Charakter‘, sondern um die Art des Lernwerkzeugs. Der Twin ist der ’strenge Lehrer‘ für sauberes Gasgeben am Kurvenausgang. Der Vierzylinder ist der ‚Ausdauer-Coach‘, der Kurvenspeed und das Fahren in hohen Drehzahlen lehrt.

– Peter Studer, have-fun.ch Fahrtrainings

Der Vierzylinder mit seiner linearen Leistungsentfaltung und der Spitzenleistung bei hohen Drehzahlen ist hingegen nachsichtiger bei der Gasannahme. Er zwingt den Fahrer jedoch dazu, einen hohen Kurvenspeed beizubehalten, um am Ausgang nicht den Anschluss zu verlieren. Er schult das Fahren auf der letzten Rille und die Fähigkeit, das Motorrad „laufen zu lassen“. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede für den Rennstreckeneinsatz zusammen:

Vergleich: Twin vs. Vierzylinder als Lernwerkzeug
Kriterium 80-PS-Twin (z.B. SV650) 120-PS-Vierzylinder (z.B. CBR650R)
Anschaffung gebraucht Ab CHF 3’000 Ab CHF 5’000
Reifenverschleiss Höher durch Drehmoment Gleichmässiger
Lerneffekt Gasannahme Sehr hoch (sofortige Reaktion) Mittel (linearer)
Kurvenspeed Niedriger Höher möglich
Ideale Strecken Enge, technische Kurse Schnelle, fliessende Strecken
Wartungskosten/Jahr Ca. CHF 1’500 Ca. CHF 2’000

Für einen Anfänger, der die Grundlagen der Gaskontrolle und der sauberen Linie von Grund auf lernen will, ist ein günstiger Zweizylinder oft das überlegene Werkzeug. Wer bereits eine saubere Technik hat und lernen möchte, maximalen Kurvenspeed mitzunehmen, profitiert mehr vom Vierzylinder. Die Wahl ist also keine Frage des Charakters, sondern eine strategische Entscheidung über den nächsten Schritt in Ihrem persönlichen Trainingsplan.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Fahren auf öffentlichen Strassen in der Schweiz ist für Superbikes zu restriktiv und risikoreich; die Rennstrecke ist eine Notwendigkeit, kein Luxus.
  • Beginnen Sie mit einem strukturierten Anfängertraining. Die Atmosphäre ist unterstützend und auf methodisches Lernen ausgelegt, nicht auf Wettbewerb.
  • Die Beherrschung der Grundlagen – insbesondere das Verständnis für Reifengrip und Fahrwerks-Setup – bringt mehr Performance und Sicherheit als reine Motorleistung.

Wie Motorsport-Events Ihre Leidenschaft neu entfachen und Community verbinden

Der Weg zur Rennstrecke beginnt oft als eine persönliche Reise, um die eigenen Grenzen und die des Motorrads auszuloten. Doch schnell merkt man, dass einer der wertvollsten Aspekte des Motorsports die Gemeinschaft ist. Die Leidenschaft für Geschwindigkeit, Technik und die perfekte Linie verbindet Menschen aller Altersklassen und Berufe. Der „Paddock-Geist“ – die offene, hilfsbereite und enthusiastische Atmosphäre im Fahrerlager – ist ansteckend und ein unglaublich starker Motivator.

Sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, Tipps zu Fahrwerkseinstellungen zu erhalten oder einfach nur über die Tücken einer bestimmten Kurve zu fachsimpeln, gehört zur Faszination Trackday dazu. Diese Gemeinschaft hilft nicht nur dabei, schneller zu werden, sondern entfacht die Leidenschaft für das Motorradfahren immer wieder neu. Ausserdem bietet sie die Möglichkeit, über den Tellerrand des reinen Fahrens hinauszuschauen, sei es durch den Besuch von professionellen Rennen oder das Engagement in lokalen Vereinen.

Gruppe von Motorradfahrern verschiedener Fahrzeugtypen im Fahrerlager

Für Fahrer in der Schweiz gibt es zahlreiche Möglichkeiten, in diese Community einzutauchen und die Leidenschaft über den reinen Trackday hinaus zu leben. Es geht darum, Teil einer Bewegung zu werden, die die Faszination Motorrad in einem sicheren und passenden Rahmen zelebriert. Hier sind einige Anlaufstellen und Ideen:

  • Besuchen Sie Motorsport-Events: Die Atmosphäre bei Schweizer Bergrennen wie Gurnigel oder St-Ursanne–Les Rangiers ist einzigartig und inspirierend.
  • Treten Sie Vereinen bei: Die Fédération Motocycliste Suisse (FMS) hat regionale Sektionen, die eine gute Anlaufstelle sind.
  • Nutzen Sie Online-Communities: Facebook-Gruppen wie „Swiss Track Days“ sind ideal, um sich für gemeinsame Fahrten zu verabreden und Erfahrungen auszutauschen.
  • Nehmen Sie an Community-Events teil: Veranstalter wie MOTO.CH organisieren spezielle Trackdays, bei denen das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund steht.

Die Verbindung zur Community ist der Treibstoff, der die Leidenschaft langfristig am Leben hält. Finden Sie heraus, welche Events und Gruppen am besten zu Ihnen passen.

Der Weg, ein Superbike an seine Grenzen zu bringen, ist eine Reise, die Technik, mentale Stärke und Leidenschaft vereint. Indem Sie einen methodischen Ansatz verfolgen und sich der Community öffnen, verwandeln Sie eine potenziell frustrierende Erfahrung auf der Strasse in eine zutiefst befriedigende und sichere Entfaltung Ihres Potenzials. Der nächste logische Schritt ist, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Informieren Sie sich über die Termine der kommenden Einsteiger-Trainings und machen Sie den ersten Schritt in eine neue Dimension des Motorradfahrens.

Geschrieben von Daniel Zimmermann, Daniel Zimmermann ist Maschinenbauingenieur ETH mit Spezialisierung auf Motorrad-Fahrwerkstechnik und Aerodynamik, ehemaliger Supersport-Rennfahrer und seit 11 Jahren als Performance-Berater und Trackday-Instruktor tätig.